Viez-Jupp

Es gibt Gedenktage, an denen ich absolut keine Lust zum Feiern habe, an denen nicht einmal der Viez so richtig schmecken will. Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her, da habe ich Aloys Ludes zum letzten Mal gesehen.

Ich habe damals mit Jugendlichen geschimpft, die ihn von einer Bushaltestelle verjagen wollten: "Gieh weg, dau stinks'!", meinte eines der Großmäuler. Und wenn schon. Aloys hat nie einer Seele etwas zuleide getan. Ein frommer Tippelbruder, bescheiden und demütig, zufrieden und glücklich. Und ein Teil des Stadtbildes.

Ich habe Touristen erlebt, für die war die Porta ein oller Steinkasten. Aber der Typ mit den langen Haaren und dem Rauschbart, der war die Sensation. Schon vor 30 Jahren sah er aus, als sei er der Statistenriege der Oberammergauer Passionsspiele entsprungen. Später entwickelte sich sein Konterfei hin zu einem Mix aus Karl Marx und Stadtpatron Petrus. Nicht zu vergessen die "Gandalf-Phase", als er mit Gehstock und einem Hut à la guter Zauberer aus "Herr der Ringe" durch Trier zog. Hier wurde er am 24. Juli 2014 zuletzt gesichtet. Lebenszeichen seither: Fehlanzeige.

Ich hätte ihm an seinem 88. Geburtstag am 30. Januar gerne mal wieder einen Kaffee oder einen Viez spendiert, aber daraus ist leider nix geworden. Von der Polizei höre ich, dass ihr derzeit keine Ermittlungsansätze vorliegen, denen sie nachgehen könnte. Seit Aloys' Verschwinden sind insgesamt 13 Hinweise bei ihr eingegangen - der letzte vor acht Monaten. Nun ist er als Langzeitvermisster erfasst.

Sollte er an einem anderen Ort von der Polizei kontrolliert werden, wird dort festgestellt, dass nach ihm gesucht wird. Ich persönlich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgehoben. Vielleicht wandert Aloys gerade durch Mittelerde. Und kommt irgendwann völlig überraschend wieder. So wie Gandalf. Prost!

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