Volkskrankheit Inkontinenz

TRIER-EHRANG. Inkontinenz ist eine Volkskrankheit, die mit einem Tabu belegt ist. Dieses zumindest in Ansätzen zu durchbrechen, gelang dem Team vom Beckenbodenzentrum des Marienkrankenhauses in Ehrang bei einer Informationsveranstaltung. Fast 100 Zuhörer waren der Einladung gefolgt.

Die Veranstaltung begann damit, dass eilig weitere Stühle in der Aula des Krankenhauses dazugestellt werden mussten. Mit so viel Gästen hatten die Veranstalter nicht gerechnet. Das große Interesse bestätigte den erheblichen Informationsbedarf über Therapiemöglichkeiten der Inkontinenz, die in Anbetracht der demographischen Entwicklung weiter zunehmen werde. Vor rund einem halben Jahr ist das Beckenbodenzentrum (BBZ) im Ehranger Marienkrankenhaus eingerichtet worden. Obwohl Inkontinenz bei Frauen häufiger als Bluthochdruck vorkomme, werde das Thema gesellschaftlich weitgehend verschwiegen, sagte Kerstin Bäumer, Oberärztin in der gynäkologischen Abteilung. Frauen sind besonders betroffen

Bei einer Umfrage hätten 50 Prozent der Patienten Probleme mit einer Inkontinenz angegeben, davon würden 68 Prozent ihr Leiden dem Arzt nicht anvertrauen. Schätzungsweise fünf Millionen Menschen haben eine Harninkontinenz, davon sind zu 75 Prozent Frauen betroffen, darunter viele junge, erklärte Bäumer. Mit der Therapie der chronischen Erkrankung sollte so früh wie möglich begonnen werden. Zwei Arten von Inkontinenz gebe es: zum einen ungewolltes Wasserlassen beim Niesen, Heben oder Lachen; zum anderen eine Dranginkontinenz wegen einer übernervösen Blase. "Diese betroffenen Frauen kennen alle Toiletten in der Stadt", sagte Bäumer unter zustimmendem Nicken der meist älteren Besucher. Mit ihren Ausführungen zu vielen verschiedenen, modernen Therapiemöglichkeiten dürfte Bäumer etlichen Patientinnen Mut gemacht haben. Eine Operation sei nicht in jedem Fall angebracht, sinnvoll seien auch konservative Therapien. Dazu gehöre beispielsweise Beckenbodentraining - unter fachlicher Anleitung, die im Marienkrankenhaus möglich sei. "Fünfmal in der Woche den Po zusammenkneifen, reicht nicht", sagte sie schmunzelnd. Schulung der Körperwahrnehmung, praktische Übungen für den Alltag, Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellungen und Sport ("Nordic Walking kann auch von Antisportlern jeden Alters erlernt werden") seien weitere Bausteine gegen die Krankheit, "für die viel Einsatz von den Patienten gefragt ist", meinte Bäumer. Das Beckenbodenzentrum biete hier einen ganzheitlichen Ansatz. Oberärztin Elke Helten ging auf Stuhlinkontinenz und Stuhlentleerungsstörungen ein. Ursachen können Verletzungen des Schließmuskels nach Geburten, Beckenbodenschwäche, Verstopfungen, Tumore, Entzündungen oder Medikamente sein. Auch hier gebe es eine Vielzahl von therapeutischen Möglichkeiten, wie die Darstellungen von Helten zeigten. Neben operativen Eingriffen bei Stuhlinkontinenz gibt es für Stuhlentleerungsstörungen konservative Behandlungsformen wie etwa Ernährungsumstellung, Bewegung und Sport. Während und nach den Vorträgen stellten die Teilnehmer Fragen zu ihren Problemen. Grundsätzlich könnten alle Patienten zu ihnen kommen, antwortete Bäumer. Am sinnvollsten sei es, sich eine Überweisung vom Gynäkologen, Urologen oder Hausarzt zu beschaffen, da eine enge Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten angestrebt sei.

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