Vollzugsbeamte im täglichen Chaos

Sie finden verwahrloste Menschen und Verstorbene in Wohnungen voller Müll und müssen Suchtkranke oder an einer hochansteckenden Infektion Leidende daran hindern, sich selbst oder andere zu gefährden. Die acht Vollzugsbeamten des Ordnungsamts müssen mit großen Gefahren und Belastungen fertig werden.

Trier. Wenn die Ämter der Stadtverwaltung den Ratsfraktionen in den Dezernatsausschüssen ihre Jahresbilanzen und generell ihre Aktivitäten präsentieren, ist das eine harmlose Geschichte mit Zahlen, Fakten, Fotos und Grafiken. Wenn allerdings der kommunale Vollzugsdienst zeigt, womit er es im Jahr 2010 zu tun hatte, ist Vorsicht geboten. Deshalb hat Dezernent Thomas Egger die Präsentation des Vollzugsdienstleiters Roman Schmitz optisch entschärft, bevor der Ausschuss sie zu sehen bekam. "Denn da waren Fotos drin, die ich den Mitgliedern nicht zumuten wollte."

Schmitz und seine acht Vollzugsbeamten erleben immer wieder die gesamte Bandbreite menschlichen Elends. "Dazu gehören Fälle, die man in einer Stadt wie Trier niemals für möglich halten würde", sagt Schmitz.

Der Vollzug des Psychisch-Kranken-Gesetzes gehört zu den Aufgaben des Vollzugsdienstes. Dieses Gesetz stellt die Rechte psychisch erkrankter Menschen sicher, ermächtigt die Behörden aber auch, den Patienten gegen seinen Willen in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus unterzubringen, wenn er sich oder andere gefährdet.

"Wir sind bundesweit unterwegs, um Patienten zu entsprechenden Einrichtungen zu bringen", berichtet Schmitz. "Manchmal ist es die Psychiatrie des Mutterhauses in Trier, manchmal das St. Rochus-Hospital im Norden Nordrhein-Westfalens." Manche Patienten sind aggressiv und wollen fliehen - eine hohe Belastung für die Vollzugsbeamten.

Die "Krisenintervention bei Selbstmordandrohung" gehört ebenfalls zu den Aufgaben des Teams vom Ordnungsamt. "Einmal mussten wir mitansehen, wie sich ein Mann ein Messer in den Bauch gerammt hat." In einem weiteren Fall blieb eine verwirrte Frau 14 Tage lang mit ihrem verstorbenen Ehemann in der gemeinsamen Wohnung.

Auch Menschen mit hochansteckenden Krankheiten wie der Tuberkulose können in die Verantwortung des Vollzugsdienstes fallen, wenn sie sich einer medizinischen Versorgung entziehen wollen. "Manche dieser Patienten sind auch psychisch krank, erleiden in geschlossenen Einrichtungen sogenannte Anpassungsstörungen und wollen in Freiheit bleiben", erklärt Schmitz. "Zu ihrem Schutz und zum Schutz der Öffentlichkeit müssen wir sie einweisen."

Der Vollzugsdienst wird zu hilflosen älteren Menschen gerufen, die ohne Pflege allein in mit Müll vollgestopften und total verdreckten Wohnungen leben. "Wir werden auch gerufen, wenn der Verwesungsgestank eines unbemerkt Verstorbenen aus seiner Wohnung ins Treppenhaus dringt und die Nachbarn schließlich den Notruf absetzen", sagt Roman Schmitz.

Auch das Bestattungsgesetz fällt in die Zuständigkeit der acht Trierer Vollzugsbeamten. Schmitz: "Es ist mittlerweile vollkommen normal, dass wir einen Verstorbenen finden und dann mühsam nach Angehörigen suchen müssen." Und auch wenn der Vollzugsdienst diese findet, weigern sich viele, sich um die Bestattung zu kümmern. "Viele Familien sind hoffnungslos zerrüttet, da müssen wir dann mit Sanktionen drohen und arbeiten."

Nur acht Mann bewältigen diesen täglichen Horror. "Für diesen gewaltigen Verantwortungsbereich ist unsere Personalstärke zu klein", betont Schmitz. "Dieses Problem wird uns weiter begleiten." EXTRA

Die Einsatzbilanz 2010: Der Vollzugsdienst musste 45 psychisch Kranke in geschlossene Einrichtungen einliefern, 17 Selbstmordandrohungen untersuchen und zu fünf Selbstmordversuchen ausrücken. Fünfmal musste er nach geflohenen Patienten fahnden. In 115 Fällen mussten Roman Schmitz und sein Team nach den Angehörigen von in Trier verstorbenen Menschen suchen. 111 vollkommen verdreckte und mit Müll vollgestopfte Wohnungen mussten sie öffnen und ausräumen. 65 kranke und hilflose Personen wurden aus ihren Wohnungen, die sich laut Schmitz "in unbeschreiblichen Zuständen" befunden haben, in Krankenhäuser gebracht. Dazu kommen alltägliche Aufgaben: 349 Einsätze wegen nächtlicher Lärmbelästigung, 443 Streifen in der Fußgängerzone und 473 am Bahnhof, 187 Kontrollgänge im Nells Park und 193 im Palastgarten. (jp)

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