Vom Leben im Stadthaus im Grünen

Sein 100-Jähriges haben die Familien Wiedmann-Scholzen und Roller-Dias Suarez vor zwei Jahren groß gefeiert. Das denkmalgeschützte Stadthaus mit Garten in der Hommerstraße ist ein steinerner Zeuge der eifrigen Neubautätigkeit des vergangenen Jahrhunderts im Trierer Südviertel.

Trier-Süd. "Modernes Stadthaus mit hochwertiger Ausstattung." So oder so ähnlich hätte die Beschreibung des heute denkmalgeschützten Hauses mit der Nummer 16 in der Hommerstraße - früher Gartenstraße - in Trier-Süd vor mehr als 100 Jahren lauten können. Die neobarocke Fassade verrät, dass der sandsteingegliederte Mansarddachbau gehobenen Ansprüchen genügt. Errichtet hat das dreigeschossige Wohnhaus mit Hinterhaus "Baulöwe" Nikolaus Weber 1908 - wie auch einige der Nachbarhäuser. Denn als die Stadt Trier 1888 die Vorstadtdörfer St. Barbara und Löwenbrücken eingemeindet hat, entstanden riesige Baugebiete. Weber und andere Bauunternehmen bauten dort auf eigene Rechnung Wohnhäuser und verkauften sie.

Betritt man das Gebäude heute durch die alte Eichentür, fällt sofort der aufwendige Terrazzo-Fußboden auf. Marmorplatten zieren die Wände bis in Handlaufhöhe, darüber zwei ovale Wandgemälde: "Bergsee und Waldsee", wie Raimund Scholzen sie nennt. Die Decke reicht mehrere Meter hoch. Auffällig hell ist das Treppenhaus. Hell ist auch die Wohnung im Erdgeschoss, die Scholzen 1985 mit Gerhild Wiedmann (60) gekauft hat. Die drei Zimmer im Haupthaus sind durch einen langen Flur mit Lichtschacht mit dem Hinterhaus verbunden. "Eigentlich sollte nebenan ein spiegelbildliches Haus gebaut werden", weiß Scholzen. Das ist nicht geschehen, und so liegt der Flur auf der falschen, der unbebauten Seite.

Die Wand zwischen Wohnzimmer und Veranda hat Scholzen herausgerissen. "50 Zentimeter sollte sie nach dem Plan dick sein - nach 40 waren wir durch." Die Zimmer trennt nun eine doppelte Schiebetür. Sie war vorher in der "guten Stube", wo nun eine Wand das Schlafzimmer abtrennt.

Eine Etage darüber, in der sogenannten Beletage, ist die Schiebetür noch an Ort und Stelle, dahinter ein Bücherregal. Gegenüber zieht der Erker mit lila Glasbordüren die Blicke auf sich. "Die alten Strukturglasscheiben sind in neue eingefasst", sagt Mathilde Roller. 5000 Euro habe sie allein der Erker gekostet.

Heizung und Elektrokabel wurden im Erdgeschoss neu gemacht. "Die Kabel lagen nicht unter Putz, ebenso die Gasleitungen für die Beleuchtung", sagt Scholzen. Im Original erhalten sind dagegen die weißen Zimmertüren mit den grünen Oberlichtern, die Beschläge sowie die Holzfußböden. "War das ein Duft, als wir die abschleifen ließen!", schwärmt der 71-Jährige.

Der schmale Flur im Obergeschoss führt durch bogenförmige Durchlässe. "Unsere Tochter ist hier mit dem Bobbycar langgerast", erinnert sich Roller. Im Wohnzimmer hätten sie und ihr Mann, der Trierer Künstler Mario Diaz Suarez (70), die die Wohnung ebenfalls 1985 gekauft haben, drei Wände herausgerissen, sagt Roller. Das einzige, was sie neu geplant hätten, war die Küche. "Die weißen und blauen Kacheln in unterschiedlicher Dicke hat Mario in Kleinstarbeit in Küche und Bad abgeklopft und hier wieder angebracht", sagt die 55-Jährige.

Diaz Suarez, 1,80 Meter groß, sitzt auf dem Sofa mit der hohen Lehne unter einem seiner vielen Bilder an den Wänden und verschwindet fast darin. Auch die alte Anrichte und die Küchenschränke wirken wie Spielzeugmöbel: bei 3,60 Metern Deckenhöhe kein Wunder. Daher sei es schwierig gewesen, passende Verandafenster zu bekommen, sagt Roller. "Silvester 1985 saßen wir hier ohne Fenster." Sie schaut hinaus auf den Garten mit dem alten Zierpflaumenbaum, der Eibe und dem kleinen Teich - eine kleine Oase inmitten der Stadt. "Die Bäume sind etwa so alt wie das Haus, die gehören fast ins Museum", meint sie. Und Wiedmann ergänzt: "Der Garten ist der große Pluspunkt!"

Verliebt in alte Steine Liebe Leserin, lieber Leser, gerne wollen wir Sie in weitere Wohnhäuser entführen, die außergewöhnlich alt und gut erhalten sind. Wir wollen Ihnen Menschen vorstellen, die in oft jahrelanger Arbeit ein historisches Gemäuer renovieren und über Freud und Leid des Altbau-Wohnens sprechen. Leben Sie vielleicht selbst in einem alten, schönen, Haus und haben Lust, uns über Ihre Motivation zu dieser Wohnweise zu erzählen? Dann mailen Sie uns ein paar Stichworte mit Name und Telefonnummer an trier@volksfreund.de (gerne auch Bilder), und wir nehmen Kontakt mit Ihnen auf. (red)Was ist das Beste an meinem Haus? Mathilde Roller: "Die Atmosphäre im Treppenhaus hat mir gefallen, die Großzügigkeit des lichtdurchfluteten Hauses." Mario Diaz Suarez: "Die gute Nachbarschaft und die Lage. Ich kann auf dem Weg durch die Stadt in mein Atelier in der Engelstraße ein Bad in der Menge nehmen." Gerhild Wiedmann: "Ich liebe die hohen Räume, ihre Weitläufigkeit. Und ich brauche selten in die Stadt zu gehen, das Südviertel ist gut strukturiert, eine tolle Wohngegend. Für mich kommt nichts anderes infrage." Raimund Scholzen: "Wir haben es nicht weit bis ins Theater und ins Rathaus, meine frühere Arbeitsstätte. Hier fahren acht Busse in der Stunde, und der Südbahnhof ist direkt vor der Tür. Außerdem können wir alles mit dem Fahrrad erreichen."

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