Vom Schnapsbrenner zum Waffenhändler

TRIER. Feste Prinzipien, wöchentlich zwei Zehn-Kilometer-Läufe und drei Knoblauch-Zehen zum Frühstück: Der 70-jährige Günther Haubrich ist nicht nur fit wie ein Turnschuh, sondern steht auch seit 50 Jahren hinter der Theke von "Waffen-Wagner" – einem der kuriosesten Geschäfte Triers.

70. Geburtstag und im 50. Jahr hinter der Theke von "Waffen-Wagner" - auch an seinem Jubiläum arbeitet Günther Haubrich, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. "Ich war noch nie an einem Geburtstag nicht im Laden", sagt der Mann, der in Trier bekannt ist wie ein bunter Hund - obwohl er zur Arbeit ausschließlich Schwarz trägt. Im Anzug, mit Schlips und Kragen ("Meine Mutti hat immer gesagt, zu fein könne man gar nicht aussehen") schließt der gebürtige Kaseler jeden Tag um 11 Uhr sein skurriles Geschäft an der Ecke Nikolaus-Koch-Platz/Metzelstraße auf. Jungbrunnen: Laufen, ruhig schlafen, Knoblauch

In dem kleinen "Waffen-Wagner"-Raum drängen sich die Waren nur so aneinander: An der Wand hängen lange Samurai-Schwerter und Militär-Gewehre aus allen Ländern und Epochen, von der Decke baumeln Tropenhelme und DDR-Volkspolizei-Mützen, in der Mitte ein Ständer mit Angelruten jeder Größe und ein Regal mit Büchern über Dart und Billard, an der Wand Fischnetze, Angelhaken und Schwimmer, auf dem Boden Kartons mit Bundeswehrstiefeln und ein ganzer Berg Tarnkleidung. Gegründet wurde das Geschäft 1920 - damals am Porta-Nigra-Platz - von Haubrichs Onkel Peter Wagner. Bis in die 50er-Jahre arbeitete Günther Haubrich noch im elterlichen Betrieb in Kasel mit. "Ein Mischbetrieb", sagt er bescheiden. Dabei war das "Gasthaus Haubrich" weit und breit bekannt - besonders für seine breite Palette selbst hergestellter Liköre und Edelbranntweine. Mit 20 Jahren zog es Günther Haubrich allerdings weg von zu Hause, und am 3. Oktober 1956 begann er bei seiner Tante, die das Waffen-Wagner-Geschäft nach dem Tod Peter Wagners weiter geführt hat, seine Lehre. 1969 übernahm Haubrich das Geschäft schließlich - und führte es mit seiner ganz eigenen Art zum bekanntesten und best sortierten Waffen-Geschäft der Großregion. Wenn der Mann mit dem zwar schütteren, aber tiefschwarzen Haar erzählt - vom Leben in Kasel in den 40ern, von seinen vier Geschwistern, von der Verschärfung des Waffengesetzes im Jahr 1972 - kann er dabei nicht still sitzen. Ständig ist er in Bewegung, seine Worte unterstreichen eine intensive Mimik und seine wachen Augen. Ständig fahren seine Hände zum Kopf, um die Frisur zu ordnen. Alles muss seine Ordnung haben - auch das scheinbare Chaos im Geschäft. Alles hat seinen geregelten Ablauf. Haubrich ist ein Mann mit Prinzipien - und eisernem Willen. Denn nach seinem Acht-Stunden-Tag im Geschäft, fährt er nicht etwa nach Hause zu Couch und Fernseher. Zweimal in der Woche trainiert der 70-Jährige im Verein LT Mertesdorf Läufe zwischen acht und zehn Kilometern. Beim größten Lauf der Region, dem Deulux-Lauf in Langsur, ist er am vergangenen Samstag die zehn Kilometer in 54 Minuten gelaufen - Platz zwei seiner Altersklasse. Nur einen Tag später war er beim Auftakt der Crosslauf-Serie Vulkaneifel dabei: 8,3 Kilometer über Feld und Flur - und Platz drei in der Wertung. Bei rund 50 Wettläufen pro Jahr ist Haubrich dabei - darunter auch Halbmarathons. "Begonnen habe ich mit dem Laufen, als ich 36 war", erzählt er. Zwischen 1986 und 1999 war er 14 Mal bei Marathon-Läufen in New York, Berlin, München, Stockholm, Prag und Hamburg dabei. "Heute fühle ich mich so fit wie mit 40. Und bin gesünder und habe mehr Lebensqualität als in den Jahren zwischen 20 und 30, als ich noch nicht gelaufen bin." Seine Fitness hat schon manchen überrascht - besonders die, die meinten, den Senior locker austricksen zu können und sich im Laden mal eben schnell eine Spielzeugpistole oder andere Dinge in die Tasche steckten und ohne zu bezahlen das Weite suchten: Schon achtmal hat Haubrich, der eine gehörige Portion Zivilcourage besitzt, junge Ladendiebe per pedes und in Sprintgeschwindigkeit durch die Innenstadt verfolgt - und gestellt. Und welches Geheimnis verbirgt sich außer dem Laufen und der Arbeit noch hinter seiner Agilität? "Ich schließe vor dem Schlafengehen immer mit allem Ärger vom Tag ab - dadurch schlafe ich ruhig", verrät Haubrich seinen Jungbrunnen. "Und ich esse jeden Morgen zum Frühstück Knoblauchzehen - eingelegte, die stinken nicht."

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