Von der Horrorstraße ins Paradies

Aach-Hohensonne · 46 Jahre lang haben sie unmittelbar neben der B 51 gelebt; Lärm und die Angst vor Unfällen waren ihre ständigen Begleiter. Nun ziehen Margarethe und Rudolf Schmidt von Hohensonne weg - als erste von vier Familien, deren Häuser abgerissen werden, damit die Bundesstraße verlegt und ausgebaut werden kann.

Aach-Hohensonne. Als Margarethe und Rudolf Schmidt 1965 das alte Forsthaus von Trier-Land in Hohensonne kauften, konnte man die Fahrzeuge noch problemlos zählen, die dort vorbeifuhren.
Im Laufe der Jahrzehnte ist das Verkehrsaufkommen aber auf ein Vielfaches gestiegen: Heute benutzen etwa 23 000 Autos und Lastwagen die B 51 täglich - Tendenz steigend. Doch das muss die Schmidts (beide 73) nicht mehr weiter stören. Sie ziehen um, an die Saar nach Kanzem.
"Ein Paradies", schwärmt das Paar von seiner neuen Heimat, "trotzdem haben wir uns in Hohensonne wohlgefühlt. Wir hatten eine schöne Dorfgemeinschaft". Man glaubt es ihnen gerne: Das dortige Grundstück ist knapp 3000 Quadratmeter groß, nach hinten reicht es, mit hohen Fichten bewachsen, bis zu einer Schlucht, in der ein kleiner Bach fließt. Der Garten ist liebevoll angelegt: prächtige Blumen und Pflanzen, Salat, Gemüse, Kartoffeln, ein Teich mit Seerosen. Abends, oder wenn Besuch da ist, zogen sich die Schmidts in einen Holzpavillon hinter dem Haus zurück - ideal zum Klönen und Feiern. Dann vergaßen sie schon mal, was vor dem Haus abgeht.
"Es ist der Horror", sagt Rudolf Schmidt, "die Bekannten fragen uns immer, wie wir das so lange ausgehalten haben." Der Ausbau der dritten Spur Richtung Neuhaus vor einigen Jahren habe noch mehr Lärm gebracht, sagt der 73-Jährige, am lautesten seien die rappelnden Schrott-Lkw mit leerem Anhänger.
Lkw fährt in den Vorgarten


Über das Leben an der Straße könnten die Schmidts ein Buch schreiben. Spontan erinnern sie sich an zwei Vorfälle: Einmal wurden vier schwere Blumenkübel vor dem Haus gestohlen, und einmal krachte ein Lkw in den Vorgarten und demolierte das Geländer. "Ich hatte großes Glück, kurz vorher bin ich noch mit der Schubkarre dort vorbeigegangen", erinnert sich Rudold Schmidt. Die ersten Jahre vertrauten die Schmidts - wie alle Hohensonner - noch darauf, dass der Aacher Ortsteil eine Umgehung bekommt. Jahrzehntelang wurde über eine nordöstlich verlaufende Trasse im Gemeinderat diskutiert, wurde Petitionen ans Land und Bittbriefe an Abgeordnete geschrieben. Vergebens - dafür sei kein Geld da, hieß es irgendwann. Jetzt soll die B 51 in Hohensonne kreuzungsfrei ausgebaut und tiefergelegt werden, mit einer Brücke und einer Zusatzspur Richtung Bitburg (der TV berichtete). Immerhin auch ein Zehn-Millionen-Euro-Projekt. Um das realisieren zu können, benötigt der Landesbetrieb Mobilität (LBM) vier Anwesen, dar unter das der Schmidts.
Mit dem ausgehandelten Verkaufspreis sind die beiden zufrieden. Es reicht für den Bungalow in Kanzem, der nur wenige hundert Meter von Günther Jauchs Weingut Othegraven liegt - ein Glücksgriff. "Wir haben uns im letzten halben Jahr an die siebzig Häuser angeschaut", sagt Margerathe Schmidt, "es ist nicht einfach, ein Haus zu finden, bei dem man keine Treppen steigen muss." Auch die Nachbarn sind fündig geworden: Zwei Ehepaare, auch schon über 70, bauen neu in Hohensonne, das andere hat ein Haus in Beßlich gekauft. Alle Betroffenen werden ihre Häuser wohl noch in diesem Jahr verlassen, obwohl der LBM ein Wohnrecht bis Ende Mai 2013 eingeräumt hat.
Alle vier Häuser und Grundstücke sind mittlerweile im Besitz der Straßenverwaltung, wann sie abgerissen werden, steht noch nicht fest. "Das ist abhängig vom Baurecht", sagt Guido Wacht vom LBM. Das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der B 51 laufe seit März; derzeit bearbeite man die Einwände.Extra

Durch den Abriss von vier Häusern kann die B 51 einige Meter weiter östlich neu gebaut werden. Linksabbiegen entfällt künftig; es entstehen Zufahrtsrampen zu beiden Wohnbereichen und eine Brücke. Durch die Tieferlegung der Straße um bis zu sechs Meter wird der Verkehrslärm gemindert. Die Ausbaustrecke ist 1,5 Kilometer lang, Anschlüsse gibt es Richtung Aach (L 43) und Kersch (K 8). Baubeginn ist wohl nicht vor dem Jahr 2015. (alf)/Visualisierung: LBM

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