Von Kleopatra über Curvada bis Kürenz

Trier-Kürenz · Offiziell gehört Kürenz erst seit der Eingemeindung 1930 zu Trier. Dennoch ist die Geschichte des einstigen Vororts eng mit der Stadt verbunden. Und sie beginnt ebenfalls mit den Römern.

 Jugendstil trifft Frömmigkeit: Postkarte von 1901 mit dem Foto der Kreuzchen-Kapelle auf dem Petrisberg. Foto: privat

Jugendstil trifft Frömmigkeit: Postkarte von 1901 mit dem Foto der Kreuzchen-Kapelle auf dem Petrisberg. Foto: privat

Was hat der Petrisberg mit Kleopatra und Marc Anton zu tun? Wenig, vermutet der Laie. Sehr viel, hat Landesmuseums-Archäologe Hartwig Löhr (65) herausgefunden. Er leitete die Grabungen auf Triers "Hausberg" (2002 bis 2009). Und deren Ergebnisse belegen: Im Frühjahr 30 v. Chr. bauten die Römer dort oben ein gewaltiges Militärlager. Es bot Platz für 10 000 Soldaten plus dazugehörige Reit- und Zugtiere. Die einschüchternde Machtdemonstration und Verfügbarkeit einer "schnellen Eingreiftruppe" schien Rom dringend geboten. Denn es war Bürgerkrieg. Auf der einen Seite Octavian, der spätere Trierer Stadtgründer, der seit 27 v. Chr. den Ehrennamen Augustus (der Erhabene) trug. Auf der anderen - in Ägypten - Marc Anton und seine Gattin Kleopatra.

Die Treverer dachten damals wohl globalstrategisch und glaubten, gut zwei Jahrzehnte nach der Eroberung ihres Stammesgebiets durch Julius Caesar wieder Herren im eigenen Haus werden zu können. Doch weit gefehlt. Marc Anton und Kleopatra töten sich am 1. August 30 selbst, und Octavians Feldherr Nonius Gallus schlug laut antiker Geschichtsschreibung 29 v. Chr. den Treverer-Aufstand nieder.
Löhr: "Sein Basislager hatte er auf dem Petrisberg errichtet." Und zwar auf heutigem Kürenzer Terrain - Fernseh- und Wasserturm stehen quasi mittendrin.

Das Legionärs-Intermezzo war nur von kurzer Dauer, eine kontinuierliche Besiedlung des Kürenzer Gebiets setzte wohl erst im Mittelalter ein. Im 9. Jahrhundert dürfte das aus Höfen bestehende Ur-Kürenz entstanden sein. Der Name legt nahe, dass es sich um landwirtschaftliche Pachtgüter gehandelt hat: Kürenz leitet sich von Curvada ab - so wurden im 13. und 14. Jahrhundert der (Gemeinde-)Frondienst wie auch die Ackerfläche bezeichnet, die für den Gutsherren zu bewirtschaften war.
Am Fuß des Petrisbergs wurde im großen Stil Wein angebaut; für 1336 ist eine Genossenschaftskelter belegt. Das Sagen hatte vor allem die Geistlichkeit. Die Kürenzer Ländereien gehörten überwiegend dem Stift St. Paulin, der Abtei St. Maximin und dem Erzbischof.

Vor den Toren der Stadt gelegen, musste der Ort viele Zerstörungen über sich ergehen lassen. Franz von Sickingen ließ 1522 seine Wut nach der gescheiterten Eroberung Triers an den Vororten aus; im 17. und 18. Jahrhundert wurde Kürenz in Auseinandersetzungen mit den Franzosen mehrfach verwüstet. All das war offenbar vergessen, als Kaiser Napoleon 1804 auf seiner Krönungsreise Trier besuchte. Auf dem Weg in die Stadt, die seit 1794 zu Frankreich gehörte, soll er sein Pferd unter großem Jubel der Bevölkerung am Kürenzer Boor (Brunnen) getränkt haben.
Von 1802 bis 1851 war Kürenz Trierer Stadtteil, dann führte eine preußische Gemeindereform zur Ausgemeindung.

Die Stadt Trier unternahm viele Versuche, sich Kürenz wieder einzuverleiben. Erst 1930 klappte es. Da hatte sich das einstige Bauerndorf bereits prächtig entwickelt. Maßgebliche Faktoren: das Walzwerk und die Bahn, aber auch die von der Staatlichen Domäne Avelsbach ausgehende Renaissance des Weinbaus.

Die Erfolgsgeschichte im Land der "Lehm-Ärsche" (so werden die Kürenzer in Anspielung auf den roten Lehmboden des Grünebergs genannt) ging weiter. Erst wuchs Kürenz an Avelertal und Kohlenstraße zum Petrisberg hinauf, und dann löste die Landesgartenschau 2004 den gewaltigsten Entwicklungsschub aus: Auf dem Petrisberg-Plateau, wo vor fast 2050 Jahren römische Legionäre lagerten, ist die trostlose Kasernenlandschaft des 20. Jahrhunderts einem ganz neuen Stadtteil gewichen.

Eine Fundgrube für Geschichtsinteressierte ist die Stadtteil-Chronik von Kürenz. Herausgegeben von der Kürenzerin Hiltrud Holzberger ist das 640 Seiten starke Buch 2008 im Kliomedia-Verlag Trier erschienen und für 29,90 Euro im Buchhandel erhältlich.Extra

12./13. Jahrhundert: Kürenz wird erstmals in Urkunden erwähnt. Der Weinort gehört im Wesentlichen zur Abtei St. Maximin und zum Stift St. Paulin. Auch der Erzbischof hat hier Weinbergsbesitz. 1563: Früheste überlieferte Einwohnerzahl: 125. 1609: Der Weinbau verliert an Bedeutung, Kürenz ist nun wichtig für die Fleischversorgung Triers. Die Gemeinde darf "200 Schaf oder Hämmel" halten. 1794: Eine Feuersbrunst zerstört 14 Häuser. 1871: Der Bau der Eisenbahnstrecke rechts der Mosel trennt das Dorf von der Stadt. 1900: Das Walzwerk entsteht und bietet zeitweilig 1000 Menschen Arbeit. 1905: Anschluss an die städtische Wasserversorgung. 1910: Staatliche Weinbaudomäne Avelsbach nach elf Jahren Bauzeit fertig. 1930: Eingemeindung. 1933: Weihe der Pfarrkirche St. Bonifatius. 1960er Jahre: Expansion, Neu-Kürenz entsteht. 2004: Landesgartenschau auf dem Petrisberg. rm.Extra

 Ab 1888 als Postkarte versandt: Gruß von der Tabaksmühle im Avelertal „bei Trier“. Foto: privat

Ab 1888 als Postkarte versandt: Gruß von der Tabaksmühle im Avelertal „bei Trier“. Foto: privat

 Kürenzer Wahrzeichen: der Corneliusbrunnen mit der von Bildhauer Willi Hahn geschaffenen Heiligenfigur. TV-Foto: Roland Morgen

Kürenzer Wahrzeichen: der Corneliusbrunnen mit der von Bildhauer Willi Hahn geschaffenen Heiligenfigur. TV-Foto: Roland Morgen

 In den frühen 1960er Jahren: Blick auf das noch sehr überschaubare Neu-Kürenz. Oben die Franzosensiedlung Burgunderstraße.Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung

In den frühen 1960er Jahren: Blick auf das noch sehr überschaubare Neu-Kürenz. Oben die Franzosensiedlung Burgunderstraße.Foto: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung

 Gotteshaus weg, Wasserspender noch da: Die Tröge des Corneliusbrunnens nach dem Abriss der Corneliuskapelle 1960. Foto: Stadtarchiv Trier

Gotteshaus weg, Wasserspender noch da: Die Tröge des Corneliusbrunnens nach dem Abriss der Corneliuskapelle 1960. Foto: Stadtarchiv Trier

 Protest gegen Triers Eingemeindungspläne: Eine Postkarte von 1903 stellt OB Karl de Nys als aufdringlichen Freier dar, der um die als Landfrauen dargestellten Dörfer buhlt. Ganz vorn Kürenz. Foto: privat

Protest gegen Triers Eingemeindungspläne: Eine Postkarte von 1903 stellt OB Karl de Nys als aufdringlichen Freier dar, der um die als Landfrauen dargestellten Dörfer buhlt. Ganz vorn Kürenz. Foto: privat

 Auch 1911 stehen in Kürenz die Zeichen auf Eingemeindungs-Abwehr per Scherzpostkarte, die auch zur Fotomontage als Stilmittel greift: Am „Neuen Kürenzer Hafen“ vor der Unterführung Avelsbacher Straße ist Endstation für große Schiffe. Foto: privat

Auch 1911 stehen in Kürenz die Zeichen auf Eingemeindungs-Abwehr per Scherzpostkarte, die auch zur Fotomontage als Stilmittel greift: Am „Neuen Kürenzer Hafen“ vor der Unterführung Avelsbacher Straße ist Endstation für große Schiffe. Foto: privat

 Das älteste Haus von Kürenz steht an der Ecke Zum Schlosspark/Brunnenstraße und stammt aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. TV-Foto: Roland Morgen

Das älteste Haus von Kürenz steht an der Ecke Zum Schlosspark/Brunnenstraße und stammt aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. TV-Foto: Roland Morgen

Im dritten Teil der Stadtteiltour Kürenz porträtieren wir am Mittwoch Eisenbahner Karl-Heinz Hubert, der sich in Eisenbahn-Gewerkschaft und Bahn-Sozialwerk engagiert.

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