Von Nazis diffamierter Maler

TRIER. Jeder lokalen Größe ihr Straßenschild: In einer neuen TV -Serie geht es um Straßen in Trier, die nach berühmten Trierer Persönlichkeiten benannt sind. Den Anfang macht der berühmte Maler Reinhard Heß. Die Straße, die ihm zu Ehren benannt wurde, heißt jedoch seit letztem Herbst nicht mehr Reinhard-Heß-Straße, sondern Maler-Heß-Straße - aus Angst, der Maler könnte mit der Nazi-Größe Rudolf Heß verwechselt werden.

 Auf dem Petrisberg gibt es die Maler-Heß-Straße.Foto: Birgit Pfaus

Auf dem Petrisberg gibt es die Maler-Heß-Straße.Foto: Birgit Pfaus

Ein Aufschrei ging im Herbst 2004 durch Trier. Eigentlich zwei: Die einen wollten die auf dem Trierer Petrisberg erst Ende des Jahres 2003 neu benannte Reinhard-Heß-Straße umbenannt haben, damit Auswärtige nicht vor Schreck die Stadt rückwärts wieder verlassen, sobald sie das Straßenschild lesen. "Das war doch der alte Nazi!", hätte der Besuch, Reinhard mit Rudolf Heß verwechselnd, fassungslos stammeln können. Schließlich war Letzterer in den Nürnberger Prozessen wegen Planung eines Angriffskriegs und Verschwörung gegen den Weltfrieden zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der zweite Aufschrei kam von denen, die dem Besuch von außerhalb sehr wohl zutrauten, den von den Nazis diffamierten Maler Reinhard und den Nazi Rudolf auseinander halten zu können. Sie beklagten die Umbenennung, die die Stadt nach dem ersten Aufschrei tatsächlich aufs Schild geschrieben hatte: "Maler-Heß-Straße - das ist ja furchtbar. Reinhard Heß ohne Vornamen!" Doch es blieb dabei: "Maler Heß-Straße". So weit die unrühmliche Geschichte einer sehr jungen Straße. Doch wer war ihr - wahrer - Namengeber? Reinhard Heß, geboren am 30. Juni 1904 in Trier und gestorben am 9. August 1998 in Wittlich, hätte im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert. "Ich male, weil meine Bilder das sagen, was man nicht mit Worten sagen kann", steht in seinem Tagebuch. Widmete er sich zu Anfang seiner Karriere sehr stark dem Menschen, waren es ab Mitte der 30er-Jahre mehr und mehr Landschaften, die Heß faszinierten. Schon während seiner Ausbildung zum Dekorationsmaler hatte Reinhard Heß die Kunstgewerbeschule in Trier besucht. Sein Studium brach er aus wirtschaftlichen Gründen ab, wurde Kirchenmaler in Luxemburg, studierte aber 1923 weiter. Erste Ausstellungserfolge hatte er wenige Jahre später, und nach einer Studienreise durch Italien wurde er 1930 als Lehrer an die Werkkunstschule berufen. Doch die Nazis unterbrachen die junge Karriere, beschimpften sein Schaffen als "kaffrigen Hanswurststil". 1935 wurde Hess entlassen, zog sich für zwölf Jahre ganz aus dem öffentlichen Kunstbetrieb zurück. Doch nach dem Krieg wurde er wieder an die Werkkunstschule berufen und war 1947 bis 1953 ihr stellvertretender Direktor.Vom Kubismus geprägter Malstil

Reinhard Heß trug viel zum kulturellen Wiederaufbau der Stadt Trier in der Nachkriegszeit bei. Er entwarf Fenster für über 40 Kirchen in der Diözese, wurde geehrt mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Kaiser-Lothar-Preis, dem Ehrenbrief der Stadt Trier und dem Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz. Heß war Mitglied, teilweise Begründer nahezu aller bedeutender Künstlergruppen. Er war fasziniert von Philosophie und Literatur. Sein Malstil blieb stets beeinflusst vom Römisch-Mediterranen, aber auch vom Kubismus Braques und Picassos. In seinem reifen Werk sind Figuren als solche noch erkennbar, jedoch weit abstrahiert. Hell und Dunkel bestimmen seine Bilder, die Farbe Lila kehrt immer wieder, Schwarz kämpft bei ihm um eine beherrschende Stellung. Ganz vom Gegenständlichen abgekehrt hat sich Reinhard Heß nie. Er sagte: "Es ist gefährlich, den Gegenstand aufzugeben, weil man damit die Welt aufgibt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort