Von Sandstrahlern und Glasmalerei

Trier · Das Interesse an der wiedereröffneten Liebfrauenkirche ist nicht nur bei den Trierern, sondern auch bei Touristen groß. Pfarrer Hans-Wilhelm Ehlen hält seit September mehrere Besuchervorträge pro Woche.

Trier. Es ist kalt an diesem Samstagmorgen in der Liebfrauenbasilika. Besucher gehen langsam durch die Kirche, betrachten die Wandmalereien, fotografieren die bunten Fenster, zünden eine Kerze an. In einem Kirchenschiff sind fast alle Bänke besetzt. Rund 40 Leute sind in die Basilika bekommen, um dem Vortrag von Pfarrer Hans-Wilhelm Ehlen zu lauschen, der sich auf eine Stufe vor den Altarraum gestellt hat. Eingepackt in einen Wintermantel erzählt er die Geschichte der Kirche. 1227 geplant, bis 1260 gebaut, 1944 stark zerstört, danach ein Dauerprovisorium: Die Basilika hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Im September wurde sie nach einer vierjährigen Sanierung mit einem feierlichen Gottesdienst wiedereröffnet (der TV berichtete).
Hans-Wilhelm Ehlen erzählt seinen Zuhörern Anekdoten von Planungsteams und Beiräten, von Sandstrahlern und bröckelndem Mörtel, von Farbproblemen bei Heiligenbildern und Waschmöglichkeiten für Handwerker. "Wir hatten für alles Spezialisten", sagt er. Unter dem Fundament fanden Archäologen Gräber von Geistlichen, die früher in der Kirche gepredigt haben. "Ich werde oft gefragt, wer dort begraben liegt", erzählt der jetzige Pfarrer, "ich antworte dann: ‚Warten Sie bis zum Jüngsten Tag, dann werden die Leute auferstehen und es Ihnen sagen.\'" Die Besucher lachen. Es sind mehr geworden im Laufe des einstündigen Vortrags. Am Ende sitzen rund 60 Menschen in den Kirchenbänken. Die Sonne scheint durch die bunten Kirchenfenster, es wird etwas wärmer.
Die Besucher interessierten sich, erzählt Ehlen später, für ganz unterschiedliche Dinge: Einige wollen wissen, welche Bedeutung das kleine Schirmchen in der Nähe des Altars hat, andere begeistern sich für die Glasmalereien auf den Fenstern. Viele fragen gezielt bei kleinen Details nach, die sie bei ihren Rundgängen durch die Kirche entdeckt haben. Auch nach dem Vortrag kommen einige Besucher auf den Pfarrer zu, klopfen ihm auf die Schulter. Eine Frau sagt: "Es ist so schön, dass die Kirche endlich fertig ist", ein Mann überreicht ihm einem Umschlag mit einer Spende für die Gemeinde.
"Zu meinen Führungen kommen genauso Touristen wie Einheimische", sagt Hans-Wilhelm Ehlen. Unter der Woche führt er angemeldete Besuchergruppen, bald sollen weitere ausgebildete Gästeführer für die Kirche eingearbeitet werden. Aber auch der Pfarrer selbst will weiter Führungen anbieten. "Ich möchte den Leuten diese schöne Kirche präsentieren", sagt er, "das macht mir richtig Spaß".
Hans-Wilhelm Ehlen hält heute um 10 Uhr einen weiteren kostenlosen Vortrag. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Im November finden samstags keine Vorträge statt, im Dezember gibt es zwei Termine am 3. und 10. Dezember, jeweils um 10 Uhr.
Extra

Getrübter Blick: Probleme macht derzeit noch das "Fenster der Geschichte". Eigentlich sollten die Besucher durch die Glaspyramide einen Blick hinunter in das Fundament der Basilika bekommen. Dort befinden sich Reste einer römischen Straße aus dem dritten Jahrhundert. Tatsächlich sehen sie aber derzeit wenig, die Scheiben sind beschlagen. Durch die niedrigen Temperaturen hat sich an den Scheiben Kondenswasser gebildet. Der Hausmeister hat nun zusätzlich zur normalen Belüftung einen Heizofen und einen Luftentfeuchter aufgestellt. Pfarrer Ehlen hofft, dass das Problem auf diese Weise bald beseitigt sein wird. "Es ist wie der Einzug in eine neue Wohnung, da ist auch immer noch irgendetwas", sagt er und lacht. mem

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