Von Trier lernen, heißt lesen lernen

TRIER/Kenn · Ein Projekt aus der Stadt steht Modell für den Kampf gegen Analphabetismus. Nun wird es sogar an andere Städte weitergegeben.

TRIER/Kenn In Trier gibt es prozentual gesehen nicht mehr oder weniger funktionale Analphabeten als im Bundesschnitt. Wer aber in Trier nicht oder fast nicht lesen oder schreiben kann - und das ist fast jeder Siebte -, dem kann hier besser geholfen werden als in vielen anderen deutschen Städten. Denn seit 2012 gibt es ein Pilotprojekt, das vom Bundesbildungsministerium finanziert wird: Apag. Die Abkürzung steht für "Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener". Das Projekt ist bei der Stadt Trier unter anderem an die Volkshochschule (VHS) und das kommunale Bildungsmanagement angedockt. Weil die erste Projektphase (2012 bis 2015) so erfolgreich war - vor allem wegen des sogenannten Lernpatenmodells und der Lerncafés, wo sich Ehrenamtler intensiv um die Lernenden kümmern - wurde das Projekt bis 2018 verlängert. Seit November 2015 stehen bei Apag II zwei Gruppen vor allem im Fokus: Auszubildende und Flüchtlinge.
20 Prozent aller Jugendlichen kommen in Sachen Lesen und Schreiben nicht über die niedrigste Kompetenzstufe heraus, neun Prozent sind funktionale Analphabeten. Für diese Azubis wurde in der Handwerkskammer-Ausbildungswerkstatt in Kenn ein Lerntreff eingerichtet. Sieben Lernbegleiter kümmern sich dort um im Schnitt zwölf Azubis. "Wir arbeiten dort erfolgreich mit Lernbausteinen, die in die Zeiten der überbetrieblichen Ausbildung integriert sind", sagt Nina Krämer-Kupka von der Apag. Im ersten Schritt geht es generell um Lesen und Schreiben, dann um angewandtes Schreiben wie fürs Berichtheft oder den Rapport, im dritten und vierten Schritt folgen verschiedene Lerntechniken.
Flüchtlinge werden von 13 speziell geschulten Lernpaten auf die Deutschkurse vorbereitet, auch dies geschieht vor Ort in den Lerncafés in Trier-Nord oder Trier-West und am Weidengraben sowie in der Volkshochschule. Der dritte Schwerpunkt des Apag-Projekts ist der Wissenstransfer. Weil die Trierer führend in diesem Bereich sind, geben sie ihre Erfahrungen weiter. Vergangene Woche veranstaltete die Apag in Mainz eine Transfertagung, zu der 54 Experten aus mehreren Bundesländern kamen. "Es ging uns darum, den unterschiedlichen Zielgruppen Ideen an die Hand zu geben, wie sie individuelle Angebote für funktionale Analphabeten umsetzen können. Und wir haben viele neue Multiplikatoren erreicht", sagt Krämer-Kupka. In naher Zukunft wird die Apag in Ingelheim und Kaiserslautern Schulungen anbieten, wie man Lernpaten und Lernbegleiter richtig für ihre Aufgaben schult. Im Herbst soll es dann eine zweite Transfertagung geben. "Der Bund hat 2016 erneut eine Dekade für Alphabetisierung ausgerufen. Daher hoffen wir, dass auch ab 2018 wieder Modellprojekte gefördert werden. Wir würden unsere Arbeit gerne fortsetzen und werden uns in diesem Fall auch wieder bewerben", sagt Krämer-Kupka.
Informationen zur Arbeit der Apag sowie des 2011 gegründeten Trierer Bündnisses für Alphabetisierung und Grundbildung im Internet unter <%LINK auto="true" href="http://www.grundbildung.trier.de" text="www.grundbildung.trier.de" class="more"%>

Extra

Selbsthilfegruppe sucht noch Teilnehmer


Aus dem Kreis der Apag-Lernenden wurde vor einigen Wochen die Selbsthilfegruppe "Wortsalat" gegründet. Diese trifft sich einmal im Monat in der Stadtbibliothek im Palais Walderdoff. Wer Interesse hat, dort mitzuarbeiten, kann sich per E-Mail an apag@trier wenden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort