Von Zewen bis nach Berlin

Trier-Zewen · Gute Bodenverhältnisse, mildes Klima: In Zewen hat die Natur alles für den Anbau von Sonderkulturen gegeben. Was ihre Vorfahren bereits vor Jahrhunderten anpflanzten, führen die heutigen Landwirte fort. Sie haben sich auf den Obstanbau spezialisiert - und auf Erdbeeren.

 In den 1930er Jahren werden Erdbeeren aus Zewen mit der Bahn ins Ruhrgebiet und bis nach Norddeutschland verschickt. TV-Foto: Mechthild Schneiders/Archiv: Obst- und Gartenbauverein Trier-Zewen

In den 1930er Jahren werden Erdbeeren aus Zewen mit der Bahn ins Ruhrgebiet und bis nach Norddeutschland verschickt. TV-Foto: Mechthild Schneiders/Archiv: Obst- und Gartenbauverein Trier-Zewen

Trier-Zewen. Alles beginnt 1929 mit der Gründung des Obst- und Gartenbauvereins. 4600 Erdbeerpflanzen kommen in Zewen-Oberkirchs fruchtbaren Boden, zudem 1600 Kirsch- und mehr als 100 Apfelbäume. Der Vereinsvorsitzende, Lehrer Josef Jungmann, hatte erkannt: "Wir müssen etwas anderes anpflanzen als Kartoffeln und Runkelrüben." Die bringen 1929 den Bauern nicht viel ein: Ein Zentner Kartoffeln kostet um die drei Reichsmark. Jungmann will in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Feldwirtschaft auf Gartenbau und Edelobstkulturen umstellen - mit Erfolg.
Der erste Waggon mit Zewener Erdbeeren, in Mundart Ärba, geht am 20. Juni 1932 um 17 Uhr auf seine Fahrt ins Ruhrgebiet. Doch der Obstanbau in Zewen ist nicht Jungmanns "Erfindung". Er geht weit ins 18. Jahrhundert zurück. Als in den 1720er Jahren zahlreiche Rebstöcke gerodet und Weinberge aufgegeben werden, pflanzen die Bauern an deren Stelle Obstbäume, insbesondere Kirschen. So heißt bereits in kurfürstlicher Zeit eine Gemarkung westlich der heutigen Waldstraße Im Kirschengarten.
1933 wachsen bereits auf 35 Hektar Land Erdbeeren. Verkauft werden sie nicht nur auf dem Trierer Großmarkt. In der Haupterntezeit verlassen täglich bis zu 26 Waggons mit je 40 Zentnern Erdbeeren Zewen in Richtung Ruhrgebiet, Norddeutschland und Berlin - so steht es in Reinhold Zimmers "Zewener Erdbeerbuch". Die Anbaufläche wird erweitert Richtung Trauf, entlang der sonnigen Hänge. Dort werden Süßkirschen, Mirabellen angebaut, die ebenfalls wie Stachel- und Johannisbeeren verschickt werden. Für den Versand wird ab 1935 ein Verladebahnhof in Höhe der heutigen Schulturnhalle errichtet - er bleibt bis zum Ausbau der Fröbelstraße 1968 bestehen. Zuvor nutzten die Bauern den Gleisanschluss Zettelmeyer.
Für den Transport stellt Stellmachermeister Karl Fusenig zwischen 1939 und 1965 in Zewen Fünf-Pfund-Spankörbchen aus Pappelholz her - bis zu 1300 Stück am Tag -, eigens für die Erdbeeren. Zuerst in der Neustraße, heute Dürerstraße, nach dem Zweiten Weltkrieg Im Biest ansässig, produzieren bis zu 20 Menschen verschiedene Spankörbe für Beeren (fünf Pfund) und Obst (20 Pfund). Schlossermeister Johann Schumann entwickelt die Ärbakoar, einen hochrädrigen gefederten Handkarren, mit der die Bauern bis zu einem Zentner Erdbeeren transportieren können.
Ende der 1940er Jahre belebt sich der in den Kriegs- und Nachkriegsjahren fast zum Erliegen gekommene Obstanbau wieder. 1952 bauen 350 Erzeuger auf 15 Hektar Erdbeeren und auf 40 Hektar Frühobst an. In den 1950er Jahren entdecken sie den Straßenverkauf an Luxemburger und Wasserbilliger Straße. Dort verkaufen die drei verbliebenen Zewener Bauern Greif, Grundhöfer und Fusenig noch heute Obst, Gemüse und - natürlich - Erdbeeren aus eigenem Anbau. mehi
Extra

1929 gibt es in Zewen unter den 2060 Einwohnern 32 Landwirte. Zudem betreibt ein Großteil der Arbeiter und Angestellten Landwirtschaft im Nebenerwerb. 1951 erzeugen 350 Anbieter Frühobst, zum größten Teil im Nebenerwerb, bei einer Einwohnerzahl von annähernd 4000. 1985 sind es noch 15 Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb, die Gartenbau betreiben, davon zwei mit Viehhaltung. Zewen zählt 3644 Einwohner. 1994 beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche noch 228 Hektar, davon 152 Hektar Ackerland und 27 Hektar Gärten. Bis 2010 reduziert sich die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe auf drei Vollerwerbslandwirte bei einer Einwohnerzahl von 3618. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche beträgt noch 195 Hektar, 14,5 Prozent weniger als 1994 und 25 Prozent der Gesamtfläche. Das Ackerland reduziert sich um mehr als die Hälfte auf 72 Hektar. Und auch die Gartenfläche ist mit 13,6 Hektar nur noch halb so groß. Mehr Fläche, nämlich neun Hektar - ein Plus von elf Prozent - nimmt der Obstbau ein. In etwa dem gleichen Zeitraum hat die Anzahl der Betriebe in der gesamten Stadt Trier um 60 Prozent abgenommen, die Fläche wurde jedoch um fünf Prozent vergrößert. mehi

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