Vorsicht, Diplomatie und sprühende Ideen

TRIER. Mal allgemein, mal sehr konkret diskutierten Ulrich Holkenbrink (CDU) und Klaus Jensen (unabhängig) mit Experten über das weite Themenfeld Schule, Jugend und Soziales. Der Trierische Volksfreund hatte die beiden Trierer Oberbürgermeisterkandidaten und sechs Fachleute zum dritten TV-Expertenforum ins Exzellenzhaus eingeladen.

In scheinbar trauter Zweisamkeit liefen Holkenbrink und der unabhängige, aber von SPD und den Grünen unterstützte Jensen in den Hof des Jugendzentrums Ex-Haus ein. "Zufällig", beteuerten beide. Dass man gemeinsam zu Presseterminen anreist - so nahe stehen sich die beiden Kontrahenten nicht. Dabei scheinen sie sich bei den Themen Schule/Jugend/Soziales eher nahe als fern zu sein - was aber auch an den meist diplomatischen, teilweise sogar vorsichtigen Antworten liegt. Wichtiges Jugendthema sei immer noch die Rettung des Südbads, erinnerte Susanne Bull: "Nach einem Jahr Verwaltungsarbeit liegt noch kein schlüssiges Sanierungskonzept vor", kritisierte sie und wollte wissen, wie die Kandidaten die Aussichten beurteilen. Holkenbrink referierte den Stadtratsbeschluss, nach dem das Bad für 8,4 Millionen saniert werden soll. "Sollte das Land Zuschüsse verweigern, wird die Sanierung auf zwei Bauabschnitte aufgeteilt", wies er auf einen möglichen finanziellen Alleingang der Stadt hin. "Aber das ist nur eine Notlösung, die Gespräche mit dem Innenministerium müssen abgewartet werden." Auch Jensen hofft, dass Stadt und Land "flexibel genug" sind, um sich über die Finanzierung zu einigen. Das Land habe dazu Bereitschaft signalisiert, doch die Stadt müsse noch an der Kostenschraube drehen. "Es wäre gut gewesen, wenn man eine dritte Stelle hätte prüfen lassen, ob die Sanierung nicht auch günstiger geht." Von einer Aufteilung in zwei Bauabschnitte hält Jensen nichts: "Das macht die Sache nicht günstiger, sorgt aber für längere Nutzungsbeeinträchtigungen." Beim großen Thema Schule kritisierte Miriam Lörz: "Die Schulen sind miserabel ausgestattet und dringendst sanierungsbedürftig, Ganztagsschulen genießen keine Priorität." Jensen griff die Kritik auf: Es gebe in Trier keinen vernünftigen Plan, wann welche Schule mit einer Sanierung an der Reihe sei. Zudem lägen die Investitionskosten in die Schulen unter den Abschreibungskosten. "Als Kaufmann weiß ich, dass sich die Situation so nicht verbessern kann." Unter einem OB Jensen würde in Haushaltsberatungen zuerst über Schulen gesprochen werden. "Diesem Thema müssen sich andere Anliegen unterordnen." Holkenbrink bestritt zunächst, dass die Investitionskosten unter den Abschreibungskosten lägen, lenkte aber ein, als Jensen die entsprechenden Zahlen zitierte. "Wir haben in den letzten Jahren so viel wie möglich in Schulen investiert", wies Holkenbrink mit Blick auf das jährliche städtische Gesamtinvestitionslimit von zehn Millionen hin. Außerdem beziehe sich der Sanierungsstau von drei Millionen auf die bestehende Schullandschaft. "Aber die Zahlen gehen zurück, deshalb werden wir künftig über Standorte reden müssen." Markus Lehnert fragte die Kandidaten nach ihren langfristigen schulpolitischen Zielen. Holkenbrink wies auf das von ihm ins Leben gerufene Schulentwicklungsgremium hin, das "bereits mehrfach getagt" habe. Die Zukunft gehöre der Ganztagsschule, beförderte der CDU-Kandidat ein Thema, das vor noch nicht allzu langer Zeit noch kein beliebtes Kind in seinen Parteikreisen war. Die von Lehnert geforderten Unterstützungen, zum Beispiel die Zuteilung von Schulpsychologen, seien "aufgrund der Haushaltslage des Landes leider schlicht unmöglich". Trotzdem habe man beispielsweise mit der Einrichtung des Hochbegabtenzweiges am Auguste-Viktoria-Gymnasium bereits viel für die Verbesserung der Trierer Schullandschaft getan. "Mir missfällt, dass Schüler schon nach vier Jahren getrennt werden", machte Jensen deutlich, dass er zur Verbesserung der Schullandschaft in Trier einer Gesamtschule positiv gegenüber stehe. Besonders Kinder aus sozial benachteiligten Familien müssten in ihrer Entwicklung besser unterstützt werden, und auch die Verzahnung von Schule und Wirtschaft sei in Trier noch stark verbesserungswürdig. Einen Fragenkatalog zum Thema "Trier als soziale, sichere und gesunde Stadt" hatte Heinz Ries, mitgebracht. "Eines der schwersten Probleme ist die hohe Arbeitslosigkeit von sozial Benachteiligten und von vielen Jugendlichen", sagte Ries. Wie werden die beiden Kandidaten dieses Problem anpacken? Holkenbrinks Antwort: "Man muss jungen Menschen über Praktika die Chance geben, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen." Jensen wurde konkreter: "Wir brauchen ein spezifisches Angebot für die Gruppe die keine Chance hat." Sein Plan: Ausweitung der Integrationsbetriebe, die durch eine EU-Richtlinie mögliche Beachtung sozialer Kriterien bei der Auswertung von Ausschreibungen und die Entwicklung "lokaler Ökonomien" in Stadtteilen, die in Sachen Nahversorgung schwach ausgestattet sind. Auch Hilger Hoffmann hatte die Jugendlichen im Blick. "Wir müssen Jugendlichen auch außerhalb der Schule Angebote machen und ihnen eine Orientierung anbieten." Jensen betonte, dass keine Kommune darüber im Alleingang entscheiden könne. "Dennoch müssen wir ein klares Bekenntnis dazu abgeben. Investitionen in diesem Bereich sind eine menschlich notwendige Leistung, die sich auch langfristig rechnet, weil sie möglicherweise verhindert, dass der Jugendliche auf die schiefe Bahn gerät." Holkenbrink erinnerte an die Notwendigkeit einer Finanzreform. "Man muss die Finanzstruktur der Kommune ändern, damit sie solchen Anforderungen gerecht werden kann."Axel Reichertz sprach auch für die Skater, deren Präsenz an der Basilika momentan wieder für heiße Diskussionen sorgt. Er begann mit einem Kompliment: "Ich bekomme viele positive Rückmeldungen aus anderen Städten, die belegen, dass in Trier viel für Jugendliche getan wird." Dennoch "stauen" sich die Skater an der Basilika, "weil wir in Trier keinen anderen Platz haben und von Schulhöfen und aus Tiefgaragen vertrieben werden." Auch der Skaterpark auf dem Petrisberg sei mit zehn Mann schon überfüllt. Das Basilika-Problem ist laut Holkenbrink zu lösen, "wenn man Rücksicht aufeinander nimmt". Schließlich habe sich auch die Graffiti-Szene in Trier etabliert. Jensen dazu: "Wir müssen uns zusammensetzen und dieses Thema in Trier intensiver diskutieren. Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten, Möglichkeiten und Freiräume für sich zu finden." Das TV-Forum wird heute ab 18 Uhr auf Antenne West ausgestrahlt.

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