Trier. Sonntagabend gegen 23 Uhr: Manuela Schewe, Inhaberin des Weinsinnig, hört in ihrer Wohnung ein Stockwerk über ihrer Weinbar Geräusche, die so klingen, "als würde in der Palaststraße Badewasser laufen". Sie muss mitansehen, wie das Wasser in ihre Geschäftsräume eindringt. Eine Chance, die mit hohem Druck fließende Brühe komplett aufzuhalten, hat sie nicht.
Zur selben Zeit ist Thomas Kiefer, Anwohner der Palaststraße, zu Fuß auf dem Weg zu seiner Wohnung. Er sieht den Rohrbruch mit eigenen Augen. "Das Wasser quoll plötzlich mit enormer Kraft aus der Straße und schoss in Richtung Hauptmarkt", sagt Kiefer. "Wir haben sofort die Feuerwehr alarmiert, aber die wussten schon Bescheid." Mindestens eine halbe Stunde lang, so schätzt der Augenzeuge, habe sich die Palaststraße in einen Fluss verwandelt. Die Stadtwerke werden diese Schätzung später bestätigen.
Viele Anwohner und Gewerbetreibende versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Sie stehen bis zu den Waden im Wasser. Die Palaststraße, die normalerweise zum Kernbereich der Innenstadt gehört, wird zum unpassierbaren Hindernis.
Die Stadtwerke rücken aus und stellen die Leitung gegen 23.40 Uhr ab. Bis zu diesem Zeitpunkt sind nach einer Schätzung des Pressesprechers Carsten Grasmück 1200 Kubikmeter oder 1,2 Millionen Liter Wasser in Richtung Hauptmarkt geschossen. 20 Häuser in der Palaststraße haben keinen Wasseranschluss mehr. Grasmück erläutert den Ablauf in einem solchen Notfall: "Der Bereitschaftsdienst fährt sofort raus und sichert den betroffenen Leitungsabschnitt an mehreren Stellen so ab, dass so wenig Kunden wie möglich von der Unterbrechung betroffen sind. Diese ersten Aktionen haben rund 40 Minuten gedauert."
Die gebrochene Leitung ist eine sogenannte Graugussleitung mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern. Graugussleitungen werden schon seit Ende der 60er nicht mehr verlegt, da sie als sehr spröde und damit anfällig für Rohrbrüche gelten. Die Leitung in der Palaststraße ist laut Mitteilung der Stadtwerke fast 100 Jahre alt, sie stammt aus den 20ern. Die Ursache des Rohrbruchs steht fest. "Es handelt sich um punktuelle Materialermüdung", sagt Pressesprecher Grasmück. "Die Leitung war bislang bei allen Überprüfungen unauffällig und schadensfrei."
Am Montag wird die Palaststraße zur Baustelle. Der Ort des Rohrbruchs ist ein Krater, an dessen Rändern Fußgänger gestoppt werden. Viele Betroffene begutachten den Schaden. Unter ihnen ist Peter Steffens, Geschäftsführer von Fabius Sports. Im Gegensatz zu weiter unterhalb des Rohrbruchs liegenden Häusern, in denen der Betrieb am Montag läuft, kann Steffens sein Geschäft nicht öffnen. Ebenso wie im Weinsinnig nebenan ist der Schaden zu groß. "Wie hoch er tatsächlich ist, muss noch ermittelt werden", sagt Steffens. Grundsätzlich läuft die Prüfung der Schadensregulierung über die Haftpflichtversicherung der Stadtwerke, bestätigt Carsten Grasmück.
Die Wasserleitung in der Palaststraße wird im Laufe des Montagvormittags repariert und gespült. Nach Qualitätsmessungen durch das Trinkwasserlabor der Stadtwerke wird die Leitung gegen 14 Uhr wieder in Betrieb genommen, die 20 betroffenen Häuser haben wieder einen Wasseranschluss. Die Palaststraße bleibt für den Verkehr voll gesperrt. Der Lieferverkehr kann aus Richtung Konstantin- und Grabenstraße bis zur Baustelle fahren. Fußgänger kommen durch.