"Wald, Radweg, Mosel: Alles vor der Haustür"

Trier · Er ist in Zewen geboren, wünscht sich endlich Bauland im Stadtteil und freut sich schon auf die Krönung der Erdbeerkönigin. Der TV hat mit Ortsvorsteher Helmut Mertesdorf gesprochen.

 „Ich geh mal ins Dorf“ – Helmut Mertesdorf kann mit dem dörflichen Charakter Zewens gut leben. TV-Foto: F. Vetter

„Ich geh mal ins Dorf“ – Helmut Mertesdorf kann mit dem dörflichen Charakter Zewens gut leben. TV-Foto: F. Vetter

Trier. Helmut Mertesdorf ist seit 2009 Ortsvorsteher in Zewen -, und er ist ein überzeugter Ureinwohner des Stadtteils, wie er im Interview mit TV-Redakteur Michael Schmitz verrät. Herr Mertesdorf, welches ist der schönste Trierer Stadtteil?Mertesdorf: Wir haben eine hervorragende Infrastruktur. In Zewen hat man ja alles vor der Haustür: viel Wald, Radwege, die Mosel, wir sind nah an Luxemburg, und wir sind schnell in der Stadt. Zewen ist ein lebenswerter Stadtteil und damit auch der schönste. Ist Zewen wirklich ein Stadt-Teil oder nicht vielleicht doch eher ein Dorf in der Stadt?Mertesdorf: Zewen hat immer noch dörflichen Charakter. Das ist auch gut so. Die meisten Leute kennen sich, es sei denn, sie sind neu zugezogen. Da finden noch Gespräche auf der Straße statt oder in den Geschäften. Das ist ein anderes Verhältnis, als in der Stadt in einem größeren Gebäude zu wohnen, wo es anonymer zugeht. Hier achtet man noch aufeinander.Wenn Sie ins Zentrum des Stadtteils gehen, sagt man dann "Ich gehe ins Dorf"?:Mertesdorf: Ja, das sagt man heute noch.Fühlen sich die Bewohner dementsprechend als Trierer, oder sind das Zewener?Mertesdorf: Es sind eher Zewener. Es gibt noch diese Identität. Das ist ja auch gut so.1969 ist Zewen eingemeindet worden. Gibt es noch Menschen, die der Eigenständigkeit nachtrauern?Mertesdorf: Ich denke ja, auf jeden Fall. Ein Beispiel: Wir haben in Zewen kein Bürgerhaus. Die Vereine mussten sich selbst behelfen, haben sich ein Vereinsheim gebaut und einen Pavillon. Sonst hätten wir keine Unterkunft hier in Zewen. Wir haben der Stadt Trier ja einen Großteil des Gewerbegebiets geliefert. Wären wir eigenständig geblieben und könnten diese Gewerbesteuer vereinnahmen, dann hätten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein Bürgerhaus. Aber die Eingemeindung war ja nicht zu verhindern. Wir müssen das Beste daraus machen.Sie haben die Vereine angesprochen. 3594 Menschen leben in Zewen, der Stadtteil hat beachtliche 22 Vereine. Wie kommt es, dass es hier so ein reges Vereinsleben gibt?Mertesdorf: Das liegt am dörflichen Charakter. Viele Menschen suchen die Gemeinschaft. Und die Vereine bieten alle Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und zeigen viel Engagement. Die Erdbeerkirmes am Wochenende wird beispielsweise von neun Vereinen gestemmt. Diese Zusammenarbeit schweißt zusammen.Wir haben zum Auftakt unserer Serie in die Statistik geblickt. Da steht drin, dass 2012 keine Häuser oder Wohnungen in Zewen entstanden sind. Hat Zewen ein Entwicklungsproblem?Mertesdorf: Ja. Wir arbeiten daran, dass endlich einmal Bauland erschlossen werden kann. Das soll mit dem Flächennutzungsplan geschehen. Ich werde oft von Leuten angerufen, oft Luxemburg-Pendler, junge Familien, die sich gerne in Zewen ansiedeln würden. Aber es ist kein Bauland da. Wo könnten denn neue Wohngebiete entstehen?Mertesdorf: Es sind drei Flächen vorgesehen: rechts und links der Straße Im Biest. Und in der Verlängerung der Gutenbergstraße Richtung Euren, oberhalb der Bahnlinie. Wobei das eher zu realisieren wäre. 15 000 Autos fahren täglich durch Zewen. Jetzt ist unerwartet eine Umgehung wieder vom Land ins Spiel gebracht worden. Teil der Umgehung wäre ein 500 Meter langer Tunnel, und das Ganze soll mindestens 18 Millionen Euro kosten - nach alten Kalkulationen. Glauben Sie, dass die Umgehung jemals kommen wird?Mertesdorf: Ich bin von Natur aus Realist. Ich glaube, dass eine Umgehung in Zewen nur gebaut wird in Verbindung mit dem Moselaufstieg, der vom Bund und Land finanziert werden müsste. Die Stadt Trier allein kann so ein Projekt wie die Umgehung ja nicht stemmen. Und die teuere Tunnellösung ist die einzige Möglichkeit, in Zewen eine Umgehung zu schaffen, ohne dass man Häuser plattmachen müsste. Stichwort Moselaufstieg. Sie sind ja CDU-Mitglied. Ihre Partei in Stadt und Landkreis fordert diese Verbindung zur Autobahn A 64 nach wie vor vehement. Wie stehen Sie zu dieser Idee?Mertesdorf: In erste Linie muss ich mich für den Stadtteil Zewen einsetzen. Und von diesem Gesichtspunkt aus gesehen kann ich nicht begeistert sein von einem Moselaufstieg. Den hätten wir ja praktisch vor der Haustüre. Unser schöner Zewener Wald wäre zum großen Teil dahin. Es müsste nach den vorliegenden Plänen eine hohe Böschung angeschüttet werden, etwa 50 Meter hoch. Dann würden da ständig LKWs hochdonnern. Und weil wir oft Westwind haben, bekäme insbesondere der westliche Teil von Zewen diese Suppe aus Lärm und Gestank mit. Luftlinie sind das nur rund 400 Meter von hier. Ich bin zwar CDU-Mann, aber ich hoffe, meine Kollegen haben Verständnis, dass ich mich für Zewen einsetzen muss.Gibt es denn irgendeine andere Lösung statt des Moselaufstiegs?Mertesdorf: Wenn man eine Moselbrücke bei der Löwener Mühle bauen würde, wäre das nicht viel weiter und die Brücke wäre nicht so nah an der Wohnbebauung. Dann könnten die Autos auf Luxemburger Seite auf die Autobahn. Wenn man durch Zewen fährt, denkt man auch: Gar nicht froh wären mit einer Umgehung vermutlich die Landwirte. Für die ist die Ortsdurchfahrt ja ein idealer Verkaufsraum, oder?Mertesdorf: Das ist richtig. Das ist die Kehrseite der Medaille. Die B 49 hat sich innerorts als Verkaufsstraße herauskristallisiert. Bei einer Tunnellösung wäre der Durchgangsverkehr zwar weg. Aber die Leute hier aus der Umgebung kennen ja die Landwirte, die würden wohl trotzdem zu den Verkaufsständen fahren.Ein anderes großes Infrastrukturprojekt, das etwas konkreter ist als die Umgehung: Ab 2017 soll Zewen einen Regionalbahnhaltepunkt bekommen. Der Haltepunkt Kantstraße soll dazu reaktiviert werden. Zewen wieder am Eisenbahnnetz - das ist doch eine Aufwertung für den Stadtteil, oder?Mertesdorf: So sehe ich das auch. Ich erinnere mich noch an die Zeit in den 1960er, 1970er Jahren, als der rote Schienenbus noch gefahren ist. Da hab ich mich hier in den Zug gesetzt und war in fünf Minuten in Trier-West. Wenn ich in die Stadt will, dann will ich nicht noch lange mit dem Bus durchs Gewerbegebiet fahren. Mit der Bahn gäbe es noch einen Haltepunkt dazwischen, dann wäre ich schon in Trier-West. Für den öffentlichen Personennahverkehr ist das also zu begrüßen. Die direkte Anbindung an Luxemburg würde sicher auch die B 49 entlasten. Am Wochenende wird in Zewen die Erdbeerkirmes gefeiert - mit Erdbeerkönigin. Dürfen Sie als Ortsvorsteher Küsschen abstauben?Mertesdorf: (lacht) Jaja. Ich habe das ja 2009 praktisch ins Leben gerufen, nachdem beim Fest die Erdbeerbowle so gut gelaufen ist. Ich dachte: Es gibt ja so viele Königinnen mit Wein und sogar Viez - warum soll es nicht auch eine Erdbeerkönigin geben? Am Wochenende krönen wir diese zum fünften Mal. Bei den Besuchern der Kirmes ist das bisher sehr gut angekommen. micExtra

Helmut Mertesdorf, Jahrgang 1941, ist ein waschechter, gebürtiger Zewener. Er ist seit 48 Jahren verheiratet und Vater zweier Töchter. Bis zum Ruhestand war er bei der Stadt im Vermessungsamt beschäftigt. 2009 wurde er zum Ortsvorsteher gewählt, zuvor war er bereits stellvertretender Ortsvorsteher. mic

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