War wirklich alles für die Katz?

D en Anfangsakkord setzten vier Zwergkängurus, die 2008 aus ihrem Gehege in Farschweiler (Kreis Trier-Saarburg) entfleuchten. Zwei der agilen Hüpfer wurden sofort dingfest gemacht, der dritte bekam offenbar Hunger und meldete sich selbst zurück.

Bis heute nicht zurückgekehrt ist das vierte Känguru. Die stark von den Medien begleitete Jagd auf den Ausreißer dauerte einen Sommer lang - dann wurde es still um den entflohenen Australier.

An seine Stelle rückte ein tierisches Triumvirat aus Panther, Adler und Fuchs. Letzterer haust in einem Wald bei Föhren und geht seit 2009 regelmäßig auf Diebeszug durch Gärten, Kellereingänge und Geräteschuppen. Wie fast jeder inzwischen weiß, hat der rote Vierbeiner einen Schuh-Tick, durch den er deutschland- und europaweit bekannt wurde. Rigoros stibitzt er alle herumstehenden menschlichen Treter aus Leder, Gummi oder Kunststoff und hortet sie in seinem Bau. Das Gelächter des Publikums ist groß - die Wellen der Sympathie schlagen hoch. Der Jagdpächter stellte einen Großteil der Beute sicher und gab sie an die Eigentümer zurück. Doch den kleptomanischen Reinecke beeindruckte die Strafaktion in keinster Weise. Er geht weiter auf Beutezug. Trotzdem verzichtet der Jäger darauf, dem Übeltäter eins mit der Flinte auf den roten Pelz zu brennen - wer legt schon mit Kimme und Korn auf eine populäre Berühmtheit an, um dadurch den Zorn der Massen auf sich zu ziehen.

Genau diesen Zorn heimsten die Beamten der Landesnaturschutzbehörde in Koblenz ein, als sie im Oktober dieses Jahres einen Panther zum Abschuss freigaben, dessen Existenz nicht einmal bewiesen ist. Die große Katze mit schwarz glänzendem Fell und runden Knuddelöhrchen geisterte schon seit Herbst 2009 durch Wälder, Köpfe und Medien. Aus einem französischen Privatgehege soll sie entfleucht sein. Im Herbst 2009 tauchte sie erstmals in Luxemburg auf und machte erste Schlagzeilen. Inwischen heißt das schwarze Phantom "Paulchen Panther" - in Anlehnung an seinen rosaroten Trickfilmkollegen. Es könnte natürlich auch ein Paulinchen sein. Aber wer weiß das schon.

Nach einem Zwischenstopp im Sommer 2010 in den belgischen Ardennen erklomm Paulchen in diesem Spätsommer in Deutschland eine steile Karriereleiter. Der erfahrene Reisende hatte sich für die touristisch gut erschlossene Verbandsgemeinde Ruwer (Kreis Trier-Saarburg) entschieden. Dort begann Paul/Pauline, mit kurzen, aber effektiven Auftritten auf sich aufmerksam zu machen. Er schockte LKW-Fahrer bei Farschweiler, ältere Nordic-Walkerinnen bei Mertesdorf, Wanderer an der Hohen Wurzel und lief schließlich im Oktober bei Riveris einer Volksfreund-Redakteurin über den Weg. Das allerdings war ein taktischer Fehler: Die Kollegin tat nach dieser unheimlichen Begegnung das, was alle Journalisten an ihrer Stelle getan hätten: Sie veröffentlichte einen umfassenden Bericht. Die Folge war, dass Ämter und Behörden plötzlich "Handlungsbedarf" sahen. Als exotische Raubkatze im deutschen Wald verstieß Paulchen klar gegen die öffentliche Ordnung und stellte womöglich sogar ein Gefährdungspotenzial dar.

"Geschützte Art hin oder her - wer dem Tier in amtlicher Eigenschaft und bewaffnet begegnet, darf sofort abdrücken", entschied die Landesbehörde. Paulchen hatte seine Immunität verloren, war zum Gejagten geworden, doch ein öffentlicher Sturm der Entrüstung brach los. "Rettet Paulchen Panther" wehte es auf den Bannern, der Eifelzoo Lünebach bereitete bereits ein Asylgehege vor, Tierexperten boten ihre Panther-Einfang-Künste an, Jäger erklärten öffentlich, niemals auf Panther zu schießen. Doch je höher Paulchen in der Beliebtheitsskala stieg, desto leiser wurde die Frage: "Gibt es diesen Panther wirklich?" Mehrere Wildkatzensichtungen in Paulchens Ruwer-Revier ließen Zweifel aufkommen. Und auch Landesvater Kurt Beck verkündete im November bei einem Bitburg-Besuch: "Ich bin mir inzwischen so gut wie sicher, dass dieser Panther nur eine Wildkatze ist."

Zuletzt wurde Paulchen bei der Bereitschaftspolizei in Wittlich gesehen. Oder auch ein dunkles Katzentier, das man für ihn hielt. Doch ob real vorhanden oder nicht: Paulchen sorgte in der Region für einen kurzweiligen Spätsommer. Seine Auftritte waren nicht für die Katz, sondern faszinierten das Publikum.

Ebenfalls Stoff für Schlagzeilen lieferte im September der real existierende Aguja-Adler Chesco aus dem Greifvogelpark Saarburg. Während einer Flugschau vor Parkbesuchern entschloss sich der südamerikanische Greif plötzlich zu einer Kursänderung und entschwand den Blicken. Seither ist der Raubvogel "auf Tour" und ernährt sich vermutlich von toten und überfahrenen Tieren. Auch Chesco erregte große Anteilnahme und Aufmerksamkeit. Dutzende Hinweise aus der gesamten Region gingen ein - doch ob es sich bei den Sichtungen immer um den verhältnismäßig kleinen Adler oder um Verwechslungen mit heimischen Bussarden oder Habichten handelte, ist fraglich.

Bleibt Chesco nur zu wünschen, dass er diesen Winter heil übersteht und am Ende nicht noch für seinen Freiheitsdrang büßen muss.

Friedhelm Knopp

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