"Was damals geschah, darf sich nie wiederholen!"

Schweich · Henriette Kretz, eine der letzten Zeitzeuginnen des Holocaust, spricht vor jungen Leuten in Schweich.

 Vor der offiziellen Veranstaltung haben junge Leute von 13 bis 24 Jahren in der ehemaligen Synagoge eine Stunde lang Gelegenheit, Holocaust-Zeitzeugin Henriette Kretz auf dem Roten Sofa des Projekts Demokratie leben zu interviewen. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Vor der offiziellen Veranstaltung haben junge Leute von 13 bis 24 Jahren in der ehemaligen Synagoge eine Stunde lang Gelegenheit, Holocaust-Zeitzeugin Henriette Kretz auf dem Roten Sofa des Projekts Demokratie leben zu interviewen. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Foto: Sandra Blass-Naisar (sbn) ("TV-Upload Blass-Naisar"

Schweich 1939 war für die fünfjährige Henriette Kretz die Welt im polnischen Opatow noch in Ordnung. "Es war die schönste Zeit in meinem Leben. Mein Vater arbeitete als Bezirksarzt, meine Mutter als Anwältin. Und ich hatte viele Freunde. Dass ich Jüdin war, das war mir gar nicht bewusst." Doch dann besetzten deutsche Truppen ihre Heimat. Und alles wurde anders. Der Vater verlor seine Stelle, alle mussten die weiße Binde mit dem Davidstern tragen, Henriette durfte nicht mehr zur Schule gehen, die Familie musste ins Getto nach Sambor umziehen. "Ich habe nicht verstanden, warum sie uns wie Verbrecher durch die Straßen getrieben haben. Ich habe mich geschämt. Abgrundtief geschämt."
Wenn die zierliche 83 Jahre alte Dame aus Antwerpen an diesem Abend auf Einladung des Jugendforums Schweich in der ehemaligen Synagoge von ihrer Flucht, dem monatelangen Verstecken in einem dunklen und kalten Kohlekeller erzählt, kann man eine Stecknadel fallen hören. Henriette Kretz hat den Holocaust in einem Waisenhaus überlebt, nachdem ihre Eltern vor ihren Augen auf der Straße erschossen wurden. Da war sie zehn Jahre alt. "Ich bin weggelaufen, als mein Vater schrie: Lauf, lauf. So schnell meine Beine konnten. Einfach nur gelaufen. Immer weiter. Nie wieder in meinem Leben hatte ich solche Angst, nie wieder war ich so allein."
Dass sie über ihre Erinnerungen ohne Verbitterung spricht, ist eine Lebensaufgabe für eine der letzten Zeitzeuginnen geworden. Sie möchte weitergeben, was Hass, Ausgrenzung, Verurteilung und Krieg bedeuten. "Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern", sagt sie an die Adresse der vielen jungen Leute. "Aber die Zukunft, die können wir gestalten. Mit Lehren aus der Vergangenheit. Was damals geschah, darf sich nie wiederholen."
Niemand werde als Mörder geboren. "Aber man kann Menschen dazu bringen für eine Idee oder eine Religion zu töten. Und das ist fatal, zerstörerisch." Ob sie verzeihen könne, möchte einer aus dem Publikum wissen. "Ich kann für mich gesprochen verzeihen. Für all die anderen aber kann ich nicht sprechen. Gläubige Menschen überlassen das Verzeihen Gott." Was ihr die Kraft gegeben habe, mit dem Leid aus der Vergangenheit weiterzuleben, möchte ein anderer wissen. "Die Liebe meiner Eltern hat mich leben lassen und die Liebe für das Leben."
"Was für eine zutiefst beeindruckende Geschichtsstunde", sagen die Oberstufenschüler Jonas und Madelaine zum Abschluss. "Das Erzählte hat mich sehr bewegt. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn eine Zeitzeugin sich erinnert oder wenn man das in seinem Geschichtsbuch liest." Der Abend fand statt auf Einladung des Jugendforums Schweich in Trägerschaft des DRK-Kreisverbands und der Kooperationspartner AG Gedenken des Dekanates Schweich-Welschbillig, Volkshochschule Schweich, Katholische Erwachsenenbildung, Fachstelle Trier sowie "Kultur in Schweich" .

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