Geschichte Was die Römer als fair empfanden – neue Führungen in Trier

Trier · Was umfasst eine faire und nachhaltige Lebensweise und wie hat sich die Definition davon in der Geschichte Triers verändert? Darüber klären die neuen Fair-Führungen auf.

 Jeannette Scholzen bietet die Fair-Führungen gemeinsam mit ihren Kollegen Linda Hilgers und Jochen Leuf an.

Jeannette Scholzen bietet die Fair-Führungen gemeinsam mit ihren Kollegen Linda Hilgers und Jochen Leuf an.

Foto: TV/Jan Söfjer

Vor neun Jahren bekam Trier vom Verein TransFair die Auszeichnung „Fair Trade Stadt“. Vor zwei Jahren erreichte Trier bei dem Wettbewerb „Hauptstadt des fairen Handels“ immerhin den vierten Platz. Nun kommen die Fair-Führungen dazu – 100-minütige Stadtführungen, die der Frage nachgehen, wie fair es in der Geschichte Triers zuging. Wurde etwa die Porta Nigra unter fairen Bedingungen gebaut? Wohl kaum. „Die römische Gesellschaft basierte auf Sklavenhaltung“, sagt die Stadtführerin Jeannette Scholzen, die künftig mit Linda Hilgers und Jochen Leuf die Fair-Führungen anbietet. 20 Prozent der römischen Bevölkerung, so Scholzen, bestand aus Sklaven. „Und die maximale Lebensdauer in einem Steinbruch betrug zehn Monate.“ Allerdings: „Die Römer fanden Sklavenhaltung total fair“, sagt Hilgers. „Alle haben verschiedene Vorstellungen von ‚fair‘. Es ist ein Begriff, der alle Lebensbedingungen umfasst und beruht auf verschiedenen Gesellschaftsstrukturen und Lebensvoraussetzungen.“

Die Idee für die Fair-Führungen kam Hilgers, Leuf und Scholzen im vergangenen Jahr im Austausch mit der Lokalen Agenda 21. Auch weil, so die Initiatoren, immer mehr Menschen sich selbst und ihre Umwelt in Bezug auf eine faire und nachhaltige Lebensweise hinterfragen. Leuf sagt: „Wir wollten uns auch von den konsumkritischen Stadtrundgängen abgrenzen, die mittlerweile in vielen Städten angeboten werden. Bei unseren längeren Führungen wird mehr Stadtgeschichte angeboten. Nicht nur eine Ergänzung gerade für auswärtige Besucher.“ Neben den Fair-Führungen bieten Hilgers und Leuf auch noch weitere untypische Stadtführungen an. Etwa eine Standup-Paddleboard-Stadtführung, bei der Interessierte Trier von der Mosel aus erkunden können. Dazu gibt es noch Rad-Stadtführungen und Weinbergwanderungen.

Die Fair-Führungen, die am Dienstag mit knapp 30 Teilnehmern – darunter Oberbürgermeister Wolfram Leibe – ihre  Premiere hatten, beginnen bei der Porta Nigra und gehen über den Hauptmarkt und Domfreihof in die Neustraße. Dabei sprechen die Stadtführer ganz verschiedene Themen an und umfassen die Oberthemen Umwelt, soziale Gerechtigkeit, Ressourcen, deren Produktion und Handel sowie Verkehr.

Ein Thema ist etwa die Wasserversorgung in römischen Zeiten, die auf einem hervorragenden Verteilersystem basierte. Es gab öffentliche Brunnen, die mit Priorität versorgt wurden. Dann folgten öffentliche Einrichtungen wie Thermen und zuletzt kamen Privatanschlüsse von Reichen. Die Brunnen waren kostenlos. Heute, so Hilgers, kostet das Wasser. Die Wasserversorgung war also damals, wenn man so möchte, fairer als heute. Dazwischen, im Mittelalter, war es ganz schlecht um die Wasserversorgung bestellt. „Das Wissen um die Wichtigkeit von Wasser war verlorengegangen“, sagt Hilgers.

Ein weiteres Kapitel ist Karl Marx und die französische Revolution. „Marx war jemand, der auf den Errungenschaften der Revolution steht, die bürgerliche Freiheiten mit sich brachte“, sagt Scholzen. Marx habe aber auch das Elend und die ungleiche Verteilung von Ressourcen gesehen.

Genau darum geht es auch bei fair gehandelten Produkten. Ein Thema der Führung sind Stadtprojekte, die sich dem widmen. Etwa dem Trierer Stadtkaffee von Mondo del Caffé, die der kolumbianischen Kaffeefarmerin das Doppelte des Marktwertes für Kaffeebohnen zahlt. Oder der Unverpackt-Laden, wo es nicht nur lose, sondern auch fair gehandelte Waren gibt. Zum Ende der Tour geht es in die Neustraße, die mit ihren Einzelhändlern ein Gegenstück zu den Geschäftsketten ist. Dort informieren die Stadtführer über fair gehandelte Textilien. Zum Schluss gibt es Gebäckstücke und ein Glas Biowein vom Gut Herbert Kuhnen. Biowein wird im Moseltal übrigens bislang nur auf zwei Prozent der Weinbauflächen angebaut. Im deutschen Schnitt sind es acht Prozent.

Buchungen und weitere Informationen unter www.moselmohikaner.de

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