Weder taub noch stumm, sondern Betrüger

Trier · Die Masche ist immer die gleiche: Junge Männer oder Frauen geben in der Trierer City vor, taubstumm zu sein und für einen guten Zweck zu sammeln. Doch weder sind die Sammler taub oder stumm, noch existiert der angebliche Behindertenverband. Das Geld wandert in die Taschen der Betrüger. Die Polizei geht nun offensiv gegen die Bande vor.

Trier. Ihre Kleidung wirkt ärmlich, der Blick ist fordernd und direkt, die Gestik aufdringlich. Auf dem Schild, das sie ihren Opfern unter die Nase halten, steht "Landesverband für behinderte und taubstumme Kinder". Dazu eine Liste mit Unterschriften angeblicher Unterstützer: Wer eine solche Spendenbettelattacke mit einem bestimmten "Nein!" abwehrt, braucht schon ein bisschen Mumm.
Selbst gefertigte Spendenlisten


Nicht wenige lassen sich wohl überrumpeln und drücken den vermeintlich bedürftigen Taubstummen aus Anteilnahme oder aus Scham davor, hartherzig zu erscheinen, Bargeld in die Hand.
Doch die jungen Männer und Frauen sind keineswegs stumm oder taub. Und das Geld sammeln sie auch nicht für den vorgegebenen guten Zweck. Vielmehr handelt es sich um professionelle Betrüger, die deutschlandweit und seit einigen Wochen auch in Trier unterwegs sind.
Die Polizei warnt nun noch einmal eindringlich vor der Mitleidsmasche: "Wir haben in den letzten Wochen in Trier mindestens 20 verschiedene Personen festgestellt, die auf die genannte Weise an das Geld gutgläubiger Menschen kommen wollen", sagt der Trierer Polizei-Pressesprecher Karl-Peter Jochem. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen stammten ausnahmslos aus Osteuropa und hätten keinen festen Wohnsitz in Deutschland. "Sie benutzen selbst gefertigte Spendenlisten, auf denen frei erfundene oder tatsächlich existierende Hilfsorganisationen als Empfänger angeben sind", erläutert Jochem das Vorgehen. Symbole, die darauf hinweisen, dass die Spendensammler taub oder stumm seien, sollen die potenziellen Spender unter Druck setzen. "Doch das Geld geht natürlich nicht an wohltätige Organisationen, sondern wandert in die Taschen der betrügerischen Sammler", sagt Jochem.
Flyer in der Trierer Innenstadt



Dabei bleibt es nicht immer "nur" beim Betrug: "Zwei der jungen Männer haben im August versucht, in der Stresemannstraße einer 17-Jährigen die Handtasche zu rauben. Einen Tag später haben wir einen 16-Jährigen festgenommen, der in einem Laden eine Mütze gestohlen hatte." Und auch Trickdiebstähle hat es laut Polizeisprecher Jochem im Zusammenhang mit der Sammelmasche bereits gegeben.
Den jungen Leuten den Spendenbetrug nachzuweisen, ist für die Polizei allerdings nicht einfach. "Dafür müssen wir nämlich Geschädigte ermitteln, die von den Tatverdächtigen über den Spendenzweck getäuscht wurden und aufgrund dessen einen Obolus entrichtet haben", erklärt Jochem. Die Spender melden sich allerdings so gut wie nie bei der Polizei.
Und über die Unterschriftenlisten der Tatverdächtigen können sie auch nicht ermittelt werden: "Mittlerweile nutzen die Tatverdächtigen Stifte mit löschbarer Tinte - sobald die Spender unterschrieben haben und weitergegangen sind, radieren die Sammler die Personalien wieder aus. Dann kann die Polizei die Betrugsopfer nicht mehr ausfindig machen." Um potenzielle Opfer zu schützen, will die Polizei ab Montag Info-Flyer in der Trierer Innenstadt verteilen. woc
Die Ermittler suchen Zeugen und Betrugsopfer, die Tatverdächtige anhand von Fotos möglicherweise identifizieren können. Betroffene können sich bei der Polizei unter Telefon 0651/9779-3200 oder auch direkt über den Notruf 110 melden.
Extra

Die Betrüger schaden nicht nur ihren Opfern, sondern auch echten Sammlern. Denn es gibt natürlich auch seriöse Spendensammler. Diese haben allerdings Sammlungsausweise zum Vorzeigen. Nehmen Sie ihr Portemonnaie nicht aus der Tasche, wenn Sie angesprochen werden. Lehnen Sie Spenden ab, wenn Sie auch nur den geringsten Zweifel an der Seriosität der Sammler haben. Informieren Sie die Polizei, wenn Sie zum Opfer geworden sind oder betrügerische Spendensammler beobachten. woc

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