Geschichte Weihnachten in Trier vor 75 Jahren: Ein Augenzeuge erinnert sich

TV-Leser und Augenzeuge Hans Lenninger (90) aus Trier-Euren beschreibt in einem Gastbeitrag die Weihnachtszeit 1944 im Zweiten Weltkrieg.

 Nach Bombenangriffen liegt die Trierer Innenstadt Weihnachten 1944 in Schutt und Asche.

Nach Bombenangriffen liegt die Trierer Innenstadt Weihnachten 1944 in Schutt und Asche.

Foto: Stadtarchiv Trier

Ende 1944 gab es dauernde Luftangriffe mit Bomben und mit Bordwaffenbeschuss durch Tiefflieger. Täglicher Artilleriebeschuss, zeitweiser Ausfall der Strom- und Wasserversorgung, ungenügende Versorgung mit Lebensmitteln: Angesichts dessen haben viele Trierer im Oktober, November und Dezember 1944 die Stadt verlassen und sind zu Verwandten und Bekannten an die Mosel, in die Eifel und in den Hunsrück geflüchtet.

Im Dezember 1944 wurden die restlichen Bürger der Stadt Trier, die noch nicht in Sicherheit gebracht oder geflüchtet waren, von der Partei aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Es wurden im Bahnhof Trier-West Züge bereitgestellt, um die Evakuierung nach Thüringen zu ermöglichen. Alle Geschäfte wurden geschlossen. Es gab nichts mehr zu kaufen. Es durften sich nur noch Inhaber einer roten Kennkarte in Trier aufhalten. Dazu zählten unter anderem Feuerwehr und Polizei, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Stadtwerke, des RWE, der Bahn und der Post, Krankenhaus- und Militärpersonal.

Ich war zu der Zeit 15 Jahre alt, Mitglied in der Feuerwehr HJ Trier und war bei vielen Einsätzen nach Fliegerangriffen dabei. Mein Vater, als Eisenbahner auch im Besitz der roten Karte, hat mich sehr oft zurückgehalten mit dem Argument, dass ich noch keine 16 Jahre alt bin und man mich nicht verpflichten kann. Aber ich wollte und musste helfen.

Wie schwer es den Bürgern gefallen sein muss, ihr Hab und Gut einem ungewissen Schicksal zu überlassen, zeigt die Tatsache, dass mehrere hundert Trierer sich dem Zwang zur Evakuierung widersetzten.

Die Stadt war nicht tot. Die Straßen waren zwar menschenleer, aber die Stadt lebte. Sie lebte in Bunkern, Stollen und Kellern. Es bildeten sich kleine Gemeinschaften die sich gegenseitig besuchten und auch voneinander abhängig waren. Die wenigen vorhandenen Lebensmittel wurden untereinander geteilt oder ausgetauscht. Nur Wein war genug vorhanden, das war das einzig Gute und half über vieles hinweg.

Zwar war es wegen des Artilleriebeschusses gefährlich, die Bunker oder Häuser zu verlassen, doch hatte man im Takt der Beschießung eine gewisse Regelmäßigkeit entdeckt und wusste, wann und in welchen Stadtteilen es gerade gefährlich war. Öfters wurde man durch Parteileute kontrolliert, die an den qualmenden Schornsteinen feststellten, wo noch Leute anwesend waren, und zur Evakuierung aufgefordert.  Aber die Autorität der Partei war schon so geschwächt, dass deren Anweisungen nicht mehr befolgt wurden.

Die Fliegeralarme gingen weiter. Die folgenden Angaben sind von Emil Zenz in dem Buch „Trier in Rauch und Trümmern“ entnommen. Am 19. Dezember warfen etwa 80 viermotorige Bomber 400 schwere und schwerste Sprengbomben, darunter auch eine Reihe von Luftminen, ab. In wenigen Minuten wurden Kirchen, Krankenhäuser, Baudenkmäler, aber auch ganze Straßenzüge in wüste Trümmerhaufen verwandelt.

Am 21. Dezember erfolgte der nächste Luftangriff. Etwa 300 bis 400 viermotorige Bomber warfen etwa 3000 Spreng- und Brandbomben mit flüssigem Inhalt ab. Am 23. Dezember führten etwa 400 Bomber einen erneuten Angriff auf Trier. Es war der schwerste Angriff überhaupt, der gegen Trier geflogen wurde. 5000 Bomben (Minen, Spreng- und Flüssigkeitsbrandbomben) wurden abgeworfen. Am 24. Dezember, Heiligabend, gab es noch einen kleineren Angriff mit 80 Spreng- und Brandbomben.

An Weihnachten 1944 ist Trier tot, eine Geisterstadt. Staubwolken und Brandgeruch liegen über der Trümmerwüste der Innenstadt von den massiven Luftangriffen. Immer wieder lodern Feuer auf. Es herrscht eine gespenstische Stille, die vom frisch gefallenen Schnee noch verstärkt wird. Das wenige Leben spielt sich fast ganz unter der Erde ab, in Bunkern, Kellern und Stollen.

So auch im Felsenbunker im Stadtteil Pallien. Es hatten sich einige Leute um einen kleinen Christbaum geschart, den ich noch schnell aus dem Wald geholt hatte. Aber bei der Stimmung reichte es nicht für ein gemeinsames Weihnachtslied. Ab und zu hörte man nur ein leises Summen, und es flossen viele Tränen. In Gedanken waren alle bei ihren Ehemänner, Vätern und Söhnen, die noch im Kriegseinsatz waren. Die Menschen dachten an die Gefallenen und Vermissten sowie an die in der Evakuierung lebenden Angehörigen.

Es war das schlimmste und traurigste Weihnachten meines ganzen Lebens.

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