Belästigung und Vergewaltigung Weil es überall Weinsteins gibt

Trier · Sie helfen jährlich hundert Frauen und Mädchen: Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs Trier stellen zum 25-jährigen Bestehen des Vereins ihre Arbeit vor.

Täglich werden Frauen genötigt, belästigt, vergewaltigt. Auch in Trier. Für die Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs Trier ist das Wissen darum seit 25 Jahren Alltag. Seit 1992 kümmert sich die Beratungsstelle, die derzeit in der Ostallee beheimatet ist, um Frauen, die sexualisierte Gewalt erlitten haben. Rund hundert Fälle kämen jedes Jahr neu hinzu, sagen die Mitarbeiterinnen Ruth Petri und Judith Vana.

Vana sagt: „Seit der Debatte um den Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein ist vielen Menschen scheinbar schlagartig klar geworden, dass die Gesellschaft Einrichtungen wie den Frauennotruf braucht.“ Sie verweisen auf die #MeToo-Bewegung, die sich nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Weinstein entfesselte: Millionen Frauen auf der ganzen Welt beklagen in sozialen Netzwerken, sexuell belästigt worden zu sein. Die Botschaft der Bewegung: Grapsch‘ eine Frau nicht an, auch wenn sie von dir abhängig ist!

Geläufigen Meinungen, dass Gewalt gegen Frauen ein Problem sozial schwacher Schichten oder bei Flüchtlingen besonders verbreitet sei, treten Petri und Vana entgegen: „Weinsteins gibt es überall. In jeder Kultur, Gesellschaft und sozialen Schicht. Durch die Flüchtlingswelle hat sich nichts an unserer Arbeit verändert.“

Der Frauennotruf berät Opfer von Vergewaltigung, Nötigung und Misshandlung. „Jede Frau ab 14 Jahren kann hierher kommen, wenn sie verunsichert ist oder eine Grenze verletzt wurde“, betont die Psychologin Ruth Petri. „Wenn Frauen Situationen erleben, die sie nie wieder erleben möchten, dann unterstützt der Frauennotruf. Es geht nicht primär darum, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.“ Denn dafür sei die Justiz da. Der Frauennotruf kümmert sich um die Opfer. „Die Betroffenen sollen ihr Leben wieder genießen können“, sagt Pädagogin Judith Vana.

Petri und Vana leisten auch Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit, organisieren Selbstbehauptungskurse und Tagungen zu sexualisierter Gewalt. Sie wollen explizit auch Männer ansprechen. Leider fehle aber oftmals die Bereitschaft der Männer, berichten die Frauen der Beratungsstelle. Sie verfolgen eine klare Linie: Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles gesellschaftliches Problem. Sie entsteht aus ungleichen Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern.

Der Fall Harvey Weinstein belege dies eindrücklich. Und eine Studie des Bundesfamilienministeriums stützt diese These: Jede vierte Frau ab 16 Jahren hat demnach körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, die Dunkelziffer liegt demnach deutlich höher. Petri und Vana verstehen ihre Arbeit als Kampf für Gleichheit. Dabei werden die Frauen vom Notruf mitunter auch selbst angegriffen. Dennoch haben sie große Freude an ihrer Arbeit. „Es ist etwas Tolles, wenn Frauen gestärkt aus den Beratungen herauskommen“, sagt Petri.

Nicht nur Männer, die die Grenzen nicht kennen, seien ein Problem. Sondern auch das fehlende Geld. Der Frauennotruf erhält Zuschüsse aus Landesmitteln der Stadt Trier und den umliegenden Kreisen.

Diese Mittel reichten jedoch bei weitem nicht aus, beklagen Petri und Vana. Um die Arbeit zu sichern, ist der Verein dringend auf Spenden angewiesen (siehe Info).

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