Wenn Ängste das Leben bestimmen

TRIER. Fast jedes Kind hat Ängste, etwa vor Dunkelheit, Alleinsein oder Spinnen. Aber wann spricht man von Angststörungen und sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen?

"Und wenn niemand mit mir spielen will? Lass mich nicht alleine!" Solche angsterfüllten Äußerungen kennt fast jedes Elternteil, denn sie gehören zur normalen Entwicklung eines Kindes. So haben Babys zwischen sechs und neun Monaten Angst vor Fremden, Einjährige leiden unter Trennungsängsten, Drei- und Vierjährige fürchten sich vor Dunkelheit und dem Alleinsein. Ab dem achten Lebensjahr tritt erstmals die Angst vor dem Tod auf. Unabhängig vom Alter haben Kinder meist Angst, von einem Auto angefahren zu werden oder vor Spinnen und Schlangen. Doch Ängste sind etwas ganz Normales und haben eine wichtige Funktion: Sie warnen. Der Körper reagiert, die Atmung wird intensiver, das Herz schlägt schneller, die Haare am Körper stellen sich auf und Schweiß fließt. Ängste entstehen, weil im Gehirn die Bedrohung mit früheren Ereignissen verglichen wird. "Gedanken bestimmen Ängste", so Alexander Marcus, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Mutterhaus der Borromäerinnnen in Trier. "Weil wir denken können, bekommen wir Angst." Häufig haben Kinder Ängste, weil sie die Welt noch nicht rational erklären können. Um mit ihren Ängsten klar zu kommen, hilft oft schon das Verständnis und der Schutz der Eltern. Meist verschwinden diese Ängste, sobald das Kind zwischen wirklich beängstigenden und sicheren Situationen unterscheiden kann. Von Angststörungen spricht man, wenn Ängste das Sozialleben stark beeinträchtigen. Dies ist häufig bei sozialen Phobien der Fall, etwa der Angst, sich vor anderen zu blamieren. Der Betreffende wird versuchen, den angstauslösenden Faktor zu vermeiden. Bei sozialen Phobien kann dies zu einer starken Beeinträchtigung des sozialen Verhaltens und zur Ausgrenzung führen. Die Ursachen von Angsterkrankungen sind vielfältig. Nach neuesten Untersuchung spielen dabei auch die Gene eine wichtige Rolle. Dies haben zahlreiche Zwillings- und Familienstudien gezeigt. Neben der genetischen Veranlagung prägt natürlich das familiäre Umfeld die kindliche Psyche. Bei Fällen, in denen die Ängste das soziale Leben massiv beeinflussen, ist Handlungsbedarf nötig. Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen sind generell gut heilbar, da die Ängste noch nicht automatisiert sind. Die Ansätze für eine Therapie sind vielfältig. Oft kann auch die Familie dem angstgestörten Kind helfen, indem sie ihm Geborgenheit gibt. Auch mit Hilfe von Familien- und Verhaltenstherapien ist eine Besserung erreichbar. Sie beinhaltet neben Rollenspielen, Verhaltensübungen und Entspannungstraining auch die Konfrontation mit den Angst auslösenden Reizen. Dabei ist es nach Ansicht von Marcus wichtig, den Patienten im Vorfeld zu überzeugen, dass Angst nicht ein Zustand ist, der immer weiter ansteigt, sondern sich bis zu einem bestimmten Plateau bewegt und dann abfällt.Bewusste Konfrontation kann helfen

Menschen mit Angststörungen seien oft der Überzeugung, dass die Angst letztlich tödlich sei, betont Marcus. Bei der Konfrontation führt das wiederholte Bewältigen der Angst auslösenden Situation zur Verminderung und Überwindung der Angstgefühle. Bei massiven Angststörungen lässt sich mit Hilfe von Medikamenten häufig eine Verminderung der Angstsymptome erzielen. Durch die medikamentöse Behandlung wird das Ansteigen der Herzfrequenz verhindert und das Auftreten der typischen Symptome unterdrückt.

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