Wenn der Rollstuhl zum Insekt wird

Mehr als 500 Zuschauer haben die Vorstellung der Schweicher-Erlanger Theatergruppe beim 26. Schultheater der Länder in Nürnberg gefeiert. Das preisgekrönte Theaterstück "...was guckst du?!!" fesselte das Publikum von der ersten bis zur letzten Sekunde.

 Der Rollstuhl als Insekt: Mike Hoff und Michael Mayoral in der Szene „Orthopädische Symphonie“. Foto: privat

Der Rollstuhl als Insekt: Mike Hoff und Michael Mayoral in der Szene „Orthopädische Symphonie“. Foto: privat

Schweich. (red) Gespenstige, konzentrierte Stille herrscht während des Theaterstücks "...was guckst du?!!" beim 26. Schultheater der Länder in Nürnberg. Schatten huschen über die Leinwand im Hintergrund der Bühne, riesige Insekten erscheinen, wie Scherenschnitt wirkt das Bild, als ein Jugendlicher Seifenblasen in ein grünliches Licht bläst. Die sechs Levana-Schüler aus Schweich und fünf Studentinnen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg führen ihr Stück als Schattentheater auf. Mit aufbrausenden Schlussapplaus und Jubelrufen befreit sich das Publikum aus dieser visuellen (Alb)Traumreise.

Erst kürzlich sahnte die Theatergruppe beim "Schulen kooperieren mit Kultur"-Wettbewerb in Berlin ab (der TV berichtete), nun hat sie Rheinland-Pfalz beim größten europäischen Schultheaterfestival vertreten. Dabei wollte sie ihr Publikum nicht nett unterhalten, sondern vielmehr mit ihrem kooperativen und integrativen Stück "...was guckst du?!!" wachrütteln, gesetzte Normen hinterfragen, zum Nachdenken über Normalsein und Anderssein anregen und beim Publikum Emotionen freisetzen.

Seit einem Jahr hat sich die Gruppe intensiv mit dem Thema Eigen- und Fremdwahrnehmung sowie Behinderung auseinandergesetzt. Sie hat sich zu Proben in Erlangen und in Schweich getroffen und dabei "...was guckst du?!!" entwickelt. Für die Studentengruppe aus Erlangen war es das erste Mal, dass sie mit der Technik des Schattentheaters konfrontiert waren. Umgekehrt lernten die Schweicher Schüler mit Livebildkamera und Bildbearbeitungsprogrammen umzugehen. Insgesamt 13 Szenen sind dabei entstanden. In Nürnberg hat die Gruppe nun vor einem großen Fachpublikum ihr Stück uraufführt.

"Der Zuschauer treibt auf einem visuellen Meer von Emotionen und lässt sich voll und ganz auf die mit Bedacht komponierten Phänomene ein", beschreibt die Festivalzeitung "stagecom" in ihrer Rezension. Nach dem Stück sind auch die Levana-Schüler von Kameras umzingelt und antworten auf die Fragen der Redakteure. Sabine Mergen aus Saarburg sagt: "Mit Schatten kann man unheimlich vielseitig experimentieren, man ist dadurch frei. Wir lernen keine Texte auswendig, sondern erfinden unsere Stücke frei!" In der Szene mit dem Rollstuhl diene die Livebildkamera dazu, den Zuschauer in den Schatten des Rollstuhls hineinzuprojizieren. "Da wird der eine oder andere Zuschauer ins Nachdenken gekommen sein!", sagt Julia Sonnhüter aus Erlangen. "Wenn der Rollstuhl zum insektenhaften, dunklen Riesenmonster wird - und man bildhaft an ihn gebunden ist - gleitet man vollends in eine uns feindliche Welt über."

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