Wenn der Strom nicht mehr fließt

TRIER. Wer seine Stromrechnung nicht bezahlen kann oder will, dem wird der Saft von den Stadtwerken Trier (SWT) abgedreht – 550 Mal bereits in diesem Jahr. Und zwar in jüngster Zeit recht rigoros, behaupten Trierer Schuldnerberater und werfen dem Konzern das Ausnutzen einer "faktischen Monopolstellung" vor. Die Stadtwerke weisen die Vorwürfe zurück.

54 000 private Kunden beziehen von den Stadtwerken Trier Strom. Die Zahl der Stromsperrungen ist nach Angaben der SWT gleichbleibend wie in den Vorjahren. In diesem Jahr gab es bereits 550 Sperrungen, 470 Anschlüsse wurden wieder geöffnet, 80 blieben dauerhaft gesperrt. Ein Leben ohne Strom - für einige Kunden der Stadtwerke eine bittere Tatsache. Wie für Martha Mayer (Name geändert). Dreimal wurde ihr innerhalb eines Monats für jeweils zwei Tage der Strom für ihre Privatwohnung in Trier abgestellt. Lebensmittel verdarben, Licht lieh sie sich bei Nachbarn aus. Der Grund der Stromsperre: Die Frau steht mit 3000 Euro bei den Stadtwerken in der Kreide. Allerdings nicht für ihren privaten Stromanschluss, der regelmäßig bezahlt wird. Die Schulden sind das Resultat einer missglückten Kneipenführung im vergangenen Jahr. "Ich habe versucht, mit den Stadtwerken zu reden", sagt die Frau, in deren Wohnung noch ein Sohn lebt. Sie fühlt sich "grob behandelt", habe kein Verständnis für ihre Situation erfahren. Das wenige Geld, das sie verdiene, brauche sie zum Leben. "Es ist ja berechtigt, dass die ihr Geld zurück haben wollen. Aber wenn es nicht geht, geht es nicht. Soll ich eine Bank überfallen?" Der Fall ähnelt anderen, hat John Weber, Schuldnerberatungsstelle Trier-Süd, beobachtet. In den letzten Monaten würden sich Fälle häufen, in denen wegen mitunter beträchtlicher Altschulden bestehende Anschlüsse gesperrt würden, deren aktuelle Rechnungen allerdings beglichen würden. "Und das in Situationen, wo man nach einem subjektiven Gerechtigkeitsgefühl von einem rücksichtslosen Abstellen sprechen muss", sagt er. Den Weg, das Geld im Wege der Zwangsvollstreckung wie andere Gläubiger einzutreiben, würden die SWT nicht beschreiten. Springen die SWT mit säumigen Zahlungskunden in letzter Zeit härter um? "Nein", sagt SWT-Sprecher Jürgen Slowik. Es gebe keine diesbezügliche Anweisung, man gehe gleichbleibend verhältnismäßig vor. Allerdings könne man nicht immer im Einzelfall wissen, welche Schwierigkeiten ein Kunde habe. "Wenn ein Kunde frühzeitig sein Problem erklärt, gibt es immer Wege", sagt Slowik und denkt an Ratenzahlungen oder Stundungen. Dennoch: "Der säumige Kunde wird sein Verhalten nicht ändern, wenn wir weiter Strom liefern." Die Folge: Jeweils eine Stromsperre zum Beispiel für eine alleinerziehende Mutter mit Kind oder einen Arbeiter, dessen Arbeitgeber die Stromabschlagszahlung begleichen wollte. Die Stadtwerke blieben hart, forderten die volle rückständige Summe von 1500 Euro - auf Ratenzahlungen ließen sie sich nicht ein. Weitere Fälle: angedrohte Stromsperren für ein mittelloses Rentnerpaar mit kranker Tochter sowie für einen Mann mit einem drei Monate alten Baby. Seine Stromschulden sind die Folge missglückter Selbstständigkeit, den privaten Stromanschluss bezahlt er schon lange pünktlich. Nun soll er noch die Stromschulden seines verstorbenen Vaters begleichen. "Ich weiß gar nicht, woher die Stadtwerke meinen Namen wissen", wundert er sich. Unwirtschaftliches Verhalten

Häufig ist unwirtschaftliches Verhalten der Weg in die Schuldenfalle, berichtet Eva-Maria Schmitt von der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werks. Hinzu kämen die Folgen von Hartz IV. "Die Leute haben weniger Geld, die monatlichen Fix-Kosten sind aber gleich geblieben." Der Druck der SWT auf die Schuldner sei sehr viel härter geworden, meint Schmitt. Sie spricht wie John Weber von der Schuldnerberatungsstelle Trier-Süd von einer faktischen Monopolstellung der SWT. Denn trotz Stromsperre müsse der Kunde die dreimonatige Kündigungsfrist wahren, bis er zu einem anderen Anbieter wechseln könne. Dennoch würden in 99 Prozent aller Fälle einstweilige Verfügungen gegen die SWT wegen der Stromsperre vor Gericht abgeschmettert. Mit der Begründung, dass der Kunde den Anbieter wechseln kann. Licht ins Dunkel könnte eine Neuerung Ende des Jahres bringen. Die Stadtwerke planen, einen Chipkartenzähler für Strom einzuführen, über den sich der Kunde den Strom kauft. Ein Modell, das laut Konzern in anderen Städten bereits positiv läuft. "Dann können sich Kunden, die ihren Verbrauch nicht im Griff haben, selbst reglementieren", meint Pressesprecher Slowik.

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