Wenn es um Streit geht, sind sie zur Stelle

Trier · Nachbarschaftsstreitereien, Familienkonflikte, kleine Diebstähle, gröbere Beleidigungen und viele ähnliche Vorfälle gehören zum Alltag von Schiedsmännern und -frauen. Ihre Aufgabe ist es, Betroffenen zu helfen, damit diese ihre Streitigkeiten beilegen und so ein Gang zum Gericht vermieden wird. Zwei von ihnen berichten im TV von ihrer Tätigkeit in Trier.

Trier. Maria Marx und Heinz Becker haben die Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz verliehen bekommen. Denn sie engagieren sich ehrenamtlich. Nicht etwa in einem Verein, sondern als Schlichter. Die beiden sind als Schiedsfrau und -mann tätig und helfen mit ihrem Einsatz, dass nicht jeder Streit vor einem Richter verhandelt werden muss.
Maria Marx (74) stammt aus dem Trierer Stadtteil Ruwer, arbeitete bis 2003 als Verwaltungsangestellte im kirchlichen Dienst des Bistums Trier und wohnt seit 42 Jahren in Mariahof. Die Geschicke des Stadtteils begleitete sie für 20 Jahre auch als Ortsvorsteherin mit. 1999 wurde sie außerdem zur Schiedsfrau für ihren Bezirk gewählt.
Erst überlegt, dann zugesagt



Heinz Becker (69) ist verheiratet und lebt seit 1973 in Trier-Euren. Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann arbeitete auch er mehrere Jahre im Verwaltungsdienst des Bistums Trier. Bei der Arbeit hat er auch Maria Marx kennengelernt, noch bevor er das Ehrenamt übernahm. Seit 22 Jahren arbeitet er ehrenamtlich als Schiedsmann für den Bezirk Euren und erinnert sich noch genau, wie es dazu kam: "Der Chef der Kripo, mit dem ich auch ab und an mal etwas trinken gegangen bin, sprach mich damals an und fragte mich, ob ich Lust hätte, den Posten des Schiedsmannes zu übernehmen. Es würde doch gut zu mir passen. Ich war völlig verwundert und zuerst der Meinung, das sei überhaupt nicht mein Ding." Doch schließlich entschied er sich, das Amt zu übernehmen.
Sein erster Fall ist Heinz Becker im Gedächtnis geblieben. "Es war eine Art Familiendrama, bei dem es auch zur Körperverletzung kam. Natürlich kein schwerer Fall von Körperverletzung, aber eben sehr kritisch gerade in der Familie. Diesen Fall konnte ich nicht schlichten. Da wurde ich direkt am Anfang ins kalte Wasser geworfen."
Maria Marx bezeichnet ihren ersten Fall eher als Lappalie. "Es ging um eine Fußmatte. Ein Streit, bei der die eine Nachbarin der anderen die Fußmatte immer wieder weggenommen hat, weil sie ihr aus schleierhaften Gründen einfach nicht gefallen hat. Manchmal sind es wirklich die banalsten Dinge, mit denen die Leute zu uns kommen. Ich denke aber, oft ist dieser Streit nur die Spitze des Eisbergs. Meist gibt es eigentlich noch mehr Konfliktpunkte, die sich über Jahre hinweg aufgebauscht haben."
"Es gibt wirklich viele lustige und sicher auch seltsame Fälle, mit denen wir im Schiedsamt zu tun haben", sagt Heinz Becker. "Bei einem Fall ging es um zwei Menschen, die schon einmal in einem Prozess gegeneinander vor Gericht standen. Der Verlierer ging daraufhin immer, wenn sein Nachbar im Garten war, auch raus und klatschte ohne Pause in die Hände, nur um es diesem heimzuzahlen." Bei einem anderen Fall sei es um Beleidigung gegangen, nachdem eine Frau das Auto ihrer Nachbarin auf der gemeinsamen Zufahrt aus Versehen beschädigt hatte. "Die beiden Damen ignorierten sich bei mir im Schiedsamt und sahen sich nicht mal an. Nach und nach konnte ich jedoch einen Vergleich mit ihnen finden, und während ich das Protokoll tippte, fingen sie wieder an, sich zu unterhalten. Die eine fragte die andere: ,Du, wie bist du hergekommen? Ich bin mit dem Auto da, ich kann dich gleich mit nach Hause nehmen\'". Solche Geschichten seien die schönsten, die man im Amt erlebe. "Über so etwas freut man sich", sagt Maria Marx.
Sobald ein Vergleich gefunden werde und beide Parteien sich einig seien, auf welche Art auch immer, es sei immer ein Erfolg, sagt Heinz Becker. "Hauptsache der Konflikt ist aus der Welt geschafft, und die Menschen können wieder in Frieden miteinander leben", sagt Maria Marx.
Extra

Seit der Einführung des Landesschlichtungsgesetzes Rheinland-Pfalz im Jahr 2008 ist es Bürgern erst dann erlaubt, mit einer Klage vor Gericht zu ziehen, wenn eine amtlich bestellte Schiedsperson zuvor versucht hat, die Streitigkeiten beizulegen. Zu den Aufgaben im Schiedsamt gehören größtenteils nachbarrechtliche Streitigkeiten wie zum Beispiel Ruhestörung, Beeinträchtigungen durch über die Grundstücksgrenze wachsende Pflanzen oder Verletzungen der Privatsphäre durch unzulässige Videoaufzeichnungen und Fotos. Der Vorteil, wenn zunächst Schiedsleute eingeschaltet werden: Es ist kostengünstiger, und eine Schlichtung auf diesem Weg ist nicht so langwierig wie ein Gerichtsverfahren, dessen Ausgang ungewiss ist. Die Betroffenen können vielmehr gemeinsam einen Vergleich erarbeiten. So besteht die Möglichkeit, dass auch nach dem Verfahren eine gute Atmosphäre in der Nachbarschaft herrscht. In 50 bis 60 Prozent der Fälle werden die Konflikte mit Hilfe einer Schiedsperson geschlichtet. In Trier gibt es vier Schiedspersonen: Heinz Becker für die Bezirke Ehrang, Quint, Pfalzel, Biewer, Pallien, Trier-West, Euren, Zewen und Oberkirch. Bernd Michels für den Raum Ruwer, Eitelsbach, Nells Ländchen, Kürenz, Tarforst, Filsch, Irsch und Kernscheid. Ferdinand Häckmanns für den Bereich Innenstadt, Maximin und Olewig sowie Maria Marx für Mariahof, Heiligkreuz, Feyen, Trier-Süd und St. Matthias. nw

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