Wenn Kinder der Schlag trifft

Martin Schlöder hatte einen Schlaganfall - noch bevor er geboren wurde. Erst Jahre später konnten Ärzte die Diagnose stellen. Martins Mutter will nun eine Selbsthilfegruppe gründen, um andere Familien mit ähnlichem Schicksal zu unterstützen.

 Kein Nachmittag ohne Vorlesen: Bei Martin und Monika Schlöder gehört das Lesen zum Nachmittag wie bei anderen das Kaffeetrinken. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Kein Nachmittag ohne Vorlesen: Bei Martin und Monika Schlöder gehört das Lesen zum Nachmittag wie bei anderen das Kaffeetrinken. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Schweich. (sbn) Monika Schlöder hat nie aufgegeben. Siebeneinhalb Jahre lang lief sie mit ihrem heute zehn Jahre alten Sohn Martin "von Pontius zu Pilatus" und erst nach siebeneinhalb Jahren stand medizinisch verlässlich fest: Ihr Sohn hatte im Mutterleib einen Schlaganfall erlitten. Weil es weit und breit in der Region keine Anlaufstelle und keine Möglichkeiten zum Austausch gibt, lädt Monika Schlöder für Samstag, 30. Januar, 14 Uhr, nach Schweich ins Gasthaus Junges zur Gründung einer Selbsthilfegruppe ein.

Unterstützung erhält die engagierte, zweifache Mutter von der Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe und vom Trierer Mutterhaus.

Jährlich erleiden etwa 300 Kinder und Jugendliche in Deutschland einen Schlaganfall, ein Drittel davon sind Neugeborene.

Die Diagnosestellung ist vor allem bei kleinen Kindern schwierig, denn die Symptome sind untypisch. Einschränkungen werden oft erst spät entdeckt. Auch deshalb, weil Ärzte bei Kindern eher weniger mit einem Schlaganfall rechnen. "Ich hatte eine völlig unproblematische Schwangerschaft und Geburt", erzählt Monika Schlöder. "Allerdings erwischte mich zum Ende eine schwere Grippe." Die gelernte Pharmazeutisch-Technische Assistentin griff wohlweislich zu keinem Medikament.

Als Martin fünf Monate alt war, fiel ihr auf, dass er seine linke Hand immer zur Faust geballt hielt. Der Kinderarzt beruhigte. Das sei normal.

Mit neun Monaten konnte Martin alleine sitzen, aber sein linker Arm mit dem Händchen zur Faust hing schlaff herunter, "so als würde es nicht zu ihm gehören".

Keine Heilpädagogik: Jugendamt lehnt Antrag ab



Wieder beruhigte sie der Kinderarzt. Ein Nerv sei eingeklemmt. Die Blockade könne mit Krankengymnastik gelöst werden.

In der Tat erzielte die erfahrene Schweicher Kinder-Krankentherapeutin Margit Lamacz schnell Erfolge. Mit 16 Monaten konnte Martin laufen, trat jedoch mit der Innenkante auf und stellte den Fuß nach außen.

Die Diagnose "halbseitige Lähmung" löste bei Monika Schlöder allein schon deshalb einen Schock aus, weil "plötzlich alle so taten, als sei mein Kind schwerstbehindert und akut durch Krampfanfälle bedroht".

Nach siebeneinhalb Jahren, zig Gesprächen, Arztwechseln, dem Besuch der Universitätsklinik Münster sowie der Kinderambulanz an der Uni Bremen stand schließlich fest: Zwischen der 32. und 34. Schwangerschaftswoche war es bei Martin zu einer Einblutung im Gehirn gekommen. Die Virus-Grippe der Mutter hatte die Blutgerinnung verändert.

Dank einer "sehr verständnisvollen, geduldigen Grundschullehrerin" gelang ein guter Schulstart. Zurzeit wiederholt Martin die dritte Klasse. Seine schulischen Leistungen sind schwankend, sein Arbeitstempo verlangsamt. Die Kernspintomographie (MRT) hat gezeigt, dass die Hirnblutung das Zentrum für räumliches Denken zerstört hat.

Mutter Schlöder hat sich für die Regelschule entschieden, ihr Antrag auf Heilpädagogik hat das Trierer Jugendamt abgelehnt. Sonderpädagogische Förderung, wie sie in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gewährt wird, gibt es in Rheinland-Pfalz nicht.

Mit der Selbsthilfegruppe will Monika Schlöder anderen Eltern, deren Kind ein Schlaganfall erlitten hat, helfen. Man soll sich gegenseitig unterstützen. Betroffene aus der gesamten Region sind willkommen. Extra Wie bei Erwachsenen wird ein kindlicher Schlaganfall durch eine Durchblutungsstörung im Gehirn ausgelöst. Hirnversorgende Arterien sind verstopft, reißen ein oder platzen. Die daraus folgende Minderversorgung der Gehirnzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen lässt wichtige Funktionen des Gehirns schlagartig ausfallen, Zellen sterben ab. Mögliche Ursachen: Blutgerinnungsstörungen, Herz- und Gefäßerkrankungen, Infektionen, Probleme bei der Geburt.

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