Wenn Mama oder Papa Krebs hat

Der Burgener Verein "Von Betroffenen für Betroffene e.V." bietet in Zusammenarbeit mit dem onkologischen Zentrum des Klinikums Mutterhaus der Borromäerinnen seit einem Jahr Unterstützung für Familien an, in denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist.

 Familie Meusel schaut zuversichtlich und ohne Ängste in die Zukunft. Alexandra Nest (hinten links) hat die Familie und besonders Leon und Daniel in einer schwierigen Situation begleitet. Foto: Bettina Leuchtenberg

Familie Meusel schaut zuversichtlich und ohne Ängste in die Zukunft. Alexandra Nest (hinten links) hat die Familie und besonders Leon und Daniel in einer schwierigen Situation begleitet. Foto: Bettina Leuchtenberg

Trier/Minderlittgen. (red) "Ja, Papa hatte Krebs. Er hatte!", betont Daniel Meusel aus Minderlittgen (Kreis Bernkastel-Wittlich). Der 14-Jährige kann genau erklären, was im vergangenen Jahr zwischen April und Oktober passiert ist, wie sein Vater behandelt wurde und was dies für die Familie bedeutete. Gemeinsam mit seinem zwölfjährigen Bruder Leon betrachtet er zwei großformatige Bilder, auf denen ein Haus zu sehen ist. "So wie ein Haus aus Steinen gemauert ist, so ist unser Körper aus Zellen aufgebaut", erklärt Daniel seinem Bruder. "Wenn man Krebszellen hat, entdeckt das die Körperpolizei, die den ‚Chemo-Kasper' ruft. Der frisst diese bösen Zellen dann auf."

Als ihr Vater Andreas Meusel im vergangenen Jahr an Lymphdrüsenkrebs erkrankte, hat sich für die Familie vieles geändert. "Gerade Leon ist ganz verschlossen geworden, und in der Schule hat er ziemliche Schwierigkeiten bekommen", erinnert sich ihre Mutter Elvira. "Dass Leon Angst hatte, Andreas würde sterben, haben wir erst durch die Zusammenarbeit mit Frau Nest herausgefunden." Alexandra Nest ist Kinderkrankenschwester, Diplom-Psychologin und arbeitet in der Villa Kunterbunt halbtags für den Verein "Von Betroffenen für Betroffene e.V.". Dessen erster Vorsitzender Hermann Becker hat das Projekt für Kinder mit einem an Krebs erkrankten Elternteil 2008 ins Leben gerufen. Becker: "Die Nachfrage ist hoch, und wir streben danach, eine ganze Stelle dafür zur Verfügung stellen zu können."

Nest arbeitet fast täglich mit den Familien. "Erkrankt ein Elternteil an Krebs, sind die Kinder immer mitbetroffen", sagt sie. "Sie sind zum Teil seelisch sehr belastet, im Extremfall können sie sogar psychische Störungen entwickeln." Durch eine frühzeitige professionelle psychologische Begleitung der Familien werden die Eltern darin unterstützt, Sicherheit und Selbstvertrauen in dieser besonderen Situation zu bewahren oder zu entwickeln. "Bei Bedarf erhalten die Kinder und Jugendlichen selbst Hilfestellungen, um die belastenden Erfahrungen zu verarbeiten und zu bewältigen."

So wie Daniel und Leon. Bei einem ihrer regelmäßigen Rundgänge über die onkologische Station des Trierer Mutterhauses machten die Stationsschwestern Alexander Nest auf den zweifachen Vater aufmerksam. "Als Frau Nest mir von ihrem Angebot erzählt hat, war mir und meiner Frau schnell klar, dass wir vor allem für Leon Unterstützung gebrauchen konnten", sagt Meusel. Spielerisch erklärt Nest den Kindern die Krankheit und vor allem die Behandlung durch eine Operation, Chemo- oder Strahlentherapie. In Situationen, wo Eltern die Worte fehlen, kann sie als Außenstehende auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. Und die Kinder können ihre Ängste äußern, ohne ihre Eltern zusätzlich belasten zu müssen. "Bei Kindern helfen für das Verständnis der ‚Chemo-Kasper', die Körperpolizei und die personifizierten guten Körperzellen", erklärt die Psychologin. "Bei Jugendlichen arbeite ich gerne mit Filmstreifen, in denen sie ihre persönliche Geschichte aufmalen."

Innerhalb des ersten Jahres hat Nest 37 Familien und 25 Kinder betreut. Die Gespräche finden entweder direkt im Mutterhaus statt, in den Räumen der Krebsgesellschaft Trier oder zu Hause in den Familien. "Es gibt Eltern, die nicht wissen, wie sie ihren Kindern die Krebserkrankung und die Konsequenzen erklären sollen", weiß Nest. "Vor allem, wenn der Krebs nicht mehr heilbar ist, fehlen ihnen oft die Worte. Manchmal reicht ein einziges Gespräch, manchmal betreue ich alle Familienmitglieder über einen längeren Zeitraum." Das Angebot können alle Familien in Anspruch nehmen, bei denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist. Extra Auch das Informations- und Beratungszentrum Trier der Krebsgesellschaft hält Angebote für Kinder und Jugendliche bereit. Für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren wird eine Gruppe angeboten, in der sich Kinder gemeinsam mit einer Pädagogin austauschen können. Ohne Altersbegrenzung ist das Angebot kreatives Malen, in das auch kleinere Kinder kommen können. Ganz neu ist eine Sprechstunde für Jugendliche und junge Erwachsene, um Informationen und Hilfestellungen für die neue Lebenssituation zu erhalten. Sie ist jeden Dienstag zwischen 16.30 und 17.30 Uhr in der Brotstraße 53. Anmeldung ist nicht notwendig.

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