Wenn Marmelade zu Lava wird

Zwei Jahre lang war Heinz Kreil mit seiner Kamera in Trier unterwegs, um Kunst am Bau und im öffentlichen Raum zu fotografieren. Sein gerade erschienenes Buch "Sehenden Auges" ist jedoch ein Novum, denn das eigentliche Steckenpferd des Mitbegründers der Trierer Kulturwerkstatt ist die Makro- und Kunstfotografie.

Trier-Süd. (mehi) Die Portraits, die kürzlich in der Jahresausstellung der Trierer Kulturwerkstatt zu sehen waren, sind Neuland für Heinz Kreil. Und sie sind ungewöhnlich, alle von der Seite fotografiert und farblich gestaltet. "Ich habe sie nicht bearbeitet", versichert der 54-Jährige. Vielmehr habe er das getan, was ihn als Kunstfotograf auszeichnet: ausprobiert, "als ich an meiner Kamera die Funktion ‚Illustration' entdeckt habe", erzählt er.

In der Trierer Künstlerszene ist Kreil - oder "Wuschel", wie ihn viele nennen - nicht wegzudenken. Mit einigen Mitstreitern gründete er 1982 die Kulturwerkstatt, in deren Vorstand er noch heute sitzt, "um was zusammen zu machen". 300 Mitglieder zählte der Kunstverein in seinen besten Jahren. Heute haben sich daraus einige Vereine entwickelt, rund 50 Künstler gehören noch dazu. "Uns ging es damals um die Tufa" - noch heute ihre Heimat. "Zur 2000-Jahr-Feier hatten wir die erste Ausstellung hier." Ein halbes Jahr nach der Tufa-Gründung seien sie dort eingezogen.

In den 80ern war Kreil Schlagzeuger in diversen Bands, heute sei er mehr Musikhörer. Und er gestaltete Kollagen im klassischen Sinn. Statt ausschneiden und kleben nutzt er heute den Computer, um Dinge zu gestalten, die ihm in die Hände fallen. Wie sein Bild "Haltestelle", worauf eine ganz verschwommene Figur im Regen stehe. "Das war ursprünglich Angela Merkel. Ich habe sie bearbeitet, bis man sie nicht mehr erkennen kann."

Mit dem Fotografieren hat Kreil in den 90er Jahren angefangen. Schnell spezialisierte er sich auf Kunstfotografie. "Zur Makrofotografie (Nahaufnahmen) kam ich durch Objektive, die ich für kaputt gehalten habe, weil sie kein Glas hatten." Bis ihm jemand gesagt habe: "Das sind Makro-Objektive."

Sachen gesehen, die vorher nie aufgefallen sind



In der Makrofotografie erhielten Dinge eine andere Gestalt: "Da wird eine Maserung auf dem Tisch zur Landschaft." Kreil arbeitet mit verschiedenen Filtern und spielt mit Licht. "Ein Löffel Marmelade sieht dann aus wie ein Vulkanausbruch, wie Lava", erzählt er. Die Fotos könne er alle zu Hause machen, "ich muss gar nicht raus".

Und dann zog es ihn doch nach draußen. Als ihm angeboten wurde, einen Fotoband über Kunst am Bau und im öffentlichen Raum in Trier zu machen. "Ich bin ganz unbewandert in die Materie hineingeraten - sie hat mich verschluckt." Inzwischen sei er fast Experte. "Sehenden Auges - Unterwegs in Trier" nennt sich sein Werk, das im November erschienen ist, "weil ich Sachen gesehen habe, die mir vorher nie aufgefallen sind". Aufwendig sei die Recherche gewesen. Viele Leute habe er angerufen - auch die Künstler selbst. "Ich bin regelrecht auf die Pirsch gegangen mit dem Rad, in Gebäude eingedrungen, in Schulen, Banken." Sein Ehrgeiz: "Zu sagen: Es ist vollständig." Das hat der gelernte Buchhändler mit dem ersten Band zwar nicht geschafft, doch ein zweites Buch ist schon in Planung. Daher sei er weiter auf der Suche nach Kunstwerken an und in Gebäuden, auf der Straße, auf Plätzen. Im Vorwort seines Buches habe er einen Aufruf gestartet. "Es kamen schon erste Meldungen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort