Wenn Stadträtinnen wild ausgehen: Linke scheitern mit Innovationsfonds für abwechslungsreicheres Nachtleben in Trier

Trier · Die Fraktion der Linken im Stadtrat ist mit der Idee gescheitert, einen städtischen Innovationsfonds für ein abwechslungsreicheres Nachtleben durchzusetzen. Doch die Debatte war hochspannend. Es kommt nicht of vor, dass Stadträtinnen von ihren "wilden Ausgehzeiten" berichten.

Trier. "Das Kultur- und Nachtleben in Trier steht derzeit auf äußerst wackeligen Beinen", sagt Paul Hilger. Man kann ihn ohne Probleme als Experten dieser Thematik akzeptieren, denn Hilger gehört mit seinen 23 Jahren zur typischen Klientel einer funktionierenden Club- und Disko-Szene.Zukunft ungewiss


Der für die Linke im Stadtrat sitzende Student der Politik und Geschichte erläutert den Antrag seiner Fraktion: "In den vergangenen Jahren schlossen einige sehr beliebte Diskotheken und Kulturstätten wie etwa das Kokolores und viele mehr. Darüber hinaus ist die Zukunft des Exzellenzhauses äußerst ungewiss, das nicht nur hervorragende Arbeit im sozialen Bereich für Jugendliche leistet, sondern auch seit Jahrzehnten durch seine kulturelle Vielfalt überregional glänzt." Fazit: Trier wird für Studenten immer unattraktiver. Das soll sich ändern.
Hilger präsentiert dem Stadtrat den Antrag, die Einrichtung eines Innovationsfonds zu prüfen, der Ideen für ein abwechslungsreicheres Trierer Nachtleben fördern und das städtische Kulturleben bereichern soll. "Mithilfe dieses Prüfauftrages sollen die Einflussmöglichkeiten seitens der Stadtverwaltung und des Stadtrates ermittelt werden, um einen positiven kulturellen Wandel voranzubringen."
Der Antrag hat keine Chance, das stellt sich schnell heraus. Doch immerhin startet er eine Debatte mit hohem Unterhaltungswert. So erinnert sich Heike Franzen (CDU) an ihre "wilde Ausgehzeit Anfang der 90er", als ein damals noch junger und unbekannter Guildo Horn in Läden wie dem "dementi!" rockte (siehe Extra). Dennoch gibt sie die Argumentationslinie vor, der anschließend alle folgen: "Es kann nicht Aufgabe der Stadt sein, das Nachtleben zu fördern."
Auch Markus Nöhl (SPD) hat Bedenken: "Was ist rein privatwirtschaftlich, was ist unterstützenswert? Dieser Antrag kann fehlgehen und missverstanden werden." Richard Leuckefeld (Bündnis 90/Die Grünen) sieht laut eigener Aussage große Hindernisse im Brandschutz und auch in der Regelstudienzeit. "Die Zeiten, in denen ein Student nach 30 Semestern die akademische Laufbahn aufgegeben und einfach eine Kneipe eröffnet hat, die dann zum Kult wurde, sind leider vorbei." Das Bachelor- und Mastersystem lasse solche Lösungen, die auch in Trier zu Legenden geworden sind, nicht mehr zu.
Christiane Probst (FWG) sieht die Lage pragmatisch. "Wo sollen wir das nötige Geld hernehmen? Die Pflege des Nachtlebens ist keine Pflichtaufgabe einer Kommune." Katharina Hassler (FDP) erklärt: "Wir sind gegen ein staatlich verordnetes Nachtleben."
Am Ende wird der aus zwei Teilen bestehende Antrag der Linken von der Mehrheit abgelehnt. Hilgers Fazit: "Wir wollten eine Diskussion anstoßen."Extra

Das "dementi!" gehörte zu den absoluten In-Lokalen der 90er, an die man sich in Trier bis heute sehr gerne erinnert. Szene-Guru und Kneipier Johannes Kram, der auch Manager von Guildo Horn war, hatte in Trier mehrere Läden, darunter auch das "Dietrich's". Mit dem "dementi!" in der Brückenstraße brachte Kram immer wieder die große weite Welt in die Trierer Szene. Wolfgang Niedecken, Nina Hagen, Helge Schneider - sie alle haben in dem Kultladen gespielt. Kram gehörte auch zu den Machern des legendären Open Airs mit Prince 1992, das zwar Geschichte schrieb, für die Organisatoren aber zum finanziellen Desaster wurde. 1997 ging Johannes Kram nach Köln, das "dementi!" lief unter neuer Regie weiter. Kram verpachtete es an Jutta Labouvie, die das Lokal 1999 zugunsten des "Vivendi" am Viehmarkt aufgab. Der DJ Randy Shadowman, damals bekannt aus der Kultdisko Riverside, bekundete Interesse, stieg aber laut eigener Aussage nach Überprüfung der Lage durch einen Sachverständigen wieder aus dem Geschäft aus. jp

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