Wenn Straßen zu Strömen werden

Kasel/Waldrach/Mertesdorf/Trier-Ruwer · Im Ruwertal hat im Juli 2012 ein Unwetter gewütet, das laut deutschem Wetterdienst einmal in 100 Jahren losbricht. Dennoch krachte es schon elf Monate später erneut heftig - und auch für diese Woche sind schwere Gewitter gemeldet. Anwohner fragen sich, was die Behörden gegen die Wassermassen unternehmen. Der TV hat nachgehört.

 Dicke Hagelkörner sind am 8. Juni in Kasel heruntergekommen. Foto: Marc Lorenz

Dicke Hagelkörner sind am 8. Juni in Kasel heruntergekommen. Foto: Marc Lorenz

Kasel/Waldrach/Mertesdorf/Trier-Ruwer. Hanns-Wilhelm Grobe hat das Unwetter über Ruwer-Eitelsbach am 5. Juli 2012 hautnah miterlebt. "Ich kam zwischen 14 und 21 Uhr nicht aus den Gummistiefeln raus und habe den Kanalablauf hinter unserer Häuserzeile freigehalten", schildert er dem TV. Innerhalb einer Stunde fielen damals bis zu 40 Liter Regen pro Quadratmeter, auch Mertesdorf, Waldrach und Kasel in der Verbandsgemeinde (VG) Ruwer waren betroffen. Dort liefen Dutzende Keller voll, gerieten Weinbergshänge ins Rutschen, drohten Rückhaltebecken zu brechen. Die Freiwilligen Feuerwehren waren im Dauereinsatz - auch in Kenn und Fell in der benachbarten VG Schweich.
Heftig, aber nicht ganz so schlimm, traf es die Ruwerorte erneut vor wenigen Tagen: Ein Unwetter am 8. Juni verwandelte die Ortsstraßen in Kasel und Waldrach laut VG-Wehrleiter Christian Kühn in "reißende Flüsse". "Der außergewöhnliche Starkregen mit Hagel schwemmte in den Weinbergen Sand, Steine, Geröll und abgeschnittene Äste in die Wirtschaftswege. Die Menge war so groß, dass die Abdeckungen der Kanäle schnell verstopft waren und die Massen die Hänge herunterliefen", schildert Dieter Jacobs vom Trierer Presseamt, der in Waldrach wohnt, seine privaten Eindrücke.
Weil es solche schweren Unwetter zuletzt immer häufiger gab, fragen sich viele Anwohner: Was unternehmen Werke und Behörden, um künftig gerüstet zu sein? Für Trier-Ruwer sind die Stadt und die Stadtwerke zuständig (siehe Extra), in Kasel und Waldrach die VG Ruwer. Laut Bürgermeister Bernhard Busch ist dort einiges passiert:

Kanäle:
Die VG-Werke prüfen seit zehn Jahren die Kanalisation in den 20 Ortsgemeinden, auch die Dimension der Rohre wird neu berechnet. Das Projekt ist sei noch nicht abgeschlossen. In Kasel und Waldrach seien aber bei Straßenausbauten bereits Kanäle erneuert worden. In Kasel sei zudem in Höhe der Feuerwehr ein "um ein Vielfaches vergrößertes Rückhaltesystem eingebaut" worden. Insgesamt ist das Kanalsystem laut Busch "ausreichend dimensioniert".

Baugebiete/Rückhaltebecken: Der Wasserabfluss in Neubaugebieten sei nicht das Problem, sagt Busch. Das Wasser werde dort sofort in Versickerungsmulden aufgefangen, diese seien "alle ausreichend groß". Nach dem Unwetter 2012 habe man zudem das Rückhaltebecken am Kundelbach in Kasel saniert, das Becken am Mertesdorfer Baugebiet Am Johannesberg neu befestigt. Das Fassungsvermögen der Mulde in Waldrach wurde überprüft.

Gefährdete Anwesen: Häuser, die wegen "ungünstiger Lage an der Straße" bei Hochwasser besonders gefährdet sind, will die VG auf bessere Schutzmöglichkeiten hinweisen. "Das Wasser nimmt feste Wege. Oft reichen einfache Mittel, etwa Holzbohlen auszulegen", sagt Busch.

Weinberge: Die Ortsgemeinden Kasel und Waldrach haben laut VG-Chef die Entwässerung in den Weinbergen verbessert. In Kasel wurden Wasserströme anders geführt, um Hochwasserwellen zu verzögern. In Waldrach wurden Wege zum Berg hin angehoben, damit das Wasser gleichmäßig den Hang hinabfließt. "Das Problem wird in den nächsten Jahren nicht geringer", sagt der VG-Chef. Deshalb werde auch die Wasserführung in Weinbergsbrachen geprüft. Bestimmte Formen der Bodenbewirtschaftung begünstigten den Hochwasserabfluss. Ein grüner Weinberg etwa halte "zumindest das Geröll fest". Denkbar sei auch ein Grünstreifen oberhalb der Wingerte, anzulegen von den Winzern.
In Kasel soll außerdem ein größeres Rohr als Durchlass für den Bach, der die Feller Straße kreuzt, fungieren. Dies ist aber nur zeitgleich mit dem geplanten Ausbau der Feller Straße möglich. Kurzfristig soll der vorgeschaltete Geröllfang verbessert werden.
Feuerwehren: Die 20 VG-Wehren üben laut Busch regelmäßig für den Hochwasserschutz: "Als Chef der Feuerwehr war ich stolz, dass auch am 8. Juni zahlreiche Wehren aus nicht betroffenen Orten sofort zur Stelle waren."Extra

Für die Entwässerung in Trier-Ruwer sind laut Sprecher Carsten Grasmück die Trierer Stadtwerke zuständig. Eine Ausnahme sei der kanalisierte Wenzelbach, dieser sei Sache der Stadt Trier. "Die Stadt hat sehr viel Zeit für die Begutachtung und Regulierung der Schäden aufgebracht", meldet Grasmück im Namen des Tiefbauamts. So habe man Bachkanäle frei gespült und Schächte erneuert. Ein Kamerafahrzeug habe den 2012 zum wilden Strom mutierten und teilweise unterirdisch verlaufenden Wenzelbach analysiert. "So wird der Zustand des Kanals bewertet, anschließend kann ein Sanierungskonzept erstellt werden." Dieses Konzept soll auch eine Machbarkeitsstudie zur Schaffung von Rückhaltemöglichkeiten enthalten. Im Bereich Eitelsbach soll der Abfluss des Regenwassers von den Weinbergen entschärft werden. Generell, betont Sprecher Grasmück, müssen die Kanalleitungen in Durchmesser und Gefälle Niederschläge aufnehmen und ableiten können. Selten auftretende und besonders heftige Unwetter können die Aufnahmefähigkeit der Kanäle übersteigen. Für den Stadtteil Ruwer gelte: "Hydraulische Engpässe wurden identifiziert und sukzessive beseitigt." Die Stadtwerke empfehlen Hauseigentümern, ihre Grundstücksentwässerungsanlage von einer Fachfirma untersuchen und prüfen zu lassen, ob im Hausanschluss eine Rückstausicherung vorhanden ist. jp

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