Inklusion Wer als Rollstuhlfahrer in Trier mal muss, hat Pech gehabt
Trier · Warum gehbehinderten Menschen ihren Besuch in der Trierer Innenstadt genau planen müssen. Der Bericht des Behindertenbeauftragten Gerd Dahm benennt Defizite.
Wenn es um die Belange behinderter Menschen in Trier geht, ist Heike Unterrainer stets mit aller Energie dabei. So stellt sich die Geschäftsführerin des Behindertenbeirats auch gerne als Model zu Verfügung, wenn es darum geht, besondere Missstände fotografisch zu dokumentieren. „Die Toilettensituation in der Trierer Innenstadt ist einfach katastrophal“, bringt sie auf den Punkt, was auch im Bericht des Beauftragten für die Belange behinderter Menschen in Trier nachzulesen ist. Gerd Dahm, Sonderpädagoge und ehemaliges Mitglied der Grünen-Fraktion im Stadtrat, hat diesen verfasst. Es gebe oft ein gutes, bisweilen ausgeprägtes Verständnis für die Belange behinderter Menschen, lautet sein Resümee. „Die Bereitschaft, dieses Verständnis in die eigene alltägliche Arbeit aktiv einfließen zu lassen, ist aber oft wenig ausgeprägt.“
Wie schwierig es werden kann, hat Dahm vor einigen Tagen im Bauausschuss des Stadtrats erlebt, als sich eine lange Debatte darüber entwickelte, wie für gehbehinderte Gäste von Konzerten im Brunnenhof neben der Porta Nigra die Toilettensituation verbessert werden kann. Zwar ist das einzige behindertengerechte öffentliche WC im Norden der Trierer Innenstadt am Simeonstiftplatz nicht weit von dem alten Klosterhof entfernt. Es zu erreichen, ist für die Betroffenen angesichts von Treppen am Brunnenhof-Ausgang auf dem kürzesten Weg und einer schwer befahrbaren Pflasterstrecke im Margarethen-Gässchen auf dem langen Weg um das Gebäude herum aber ohne Hilfe kaum möglich. Doch die Installation einer nahen und bedarfsgerechten Toilette, zum Beispiel an einer unauffälligen Stelle des Kreuzgangs, scheitert an den Protesten der Denkmalpflege. Der angesichts dieses Dilemmas konsternierte Baudezernent Andreas Ludwig versprach, in diesem Jahr ein Toilettenkonzept für die gesamte Innenstadt zu erarbeiten, in dem auch die Aspekte Behinderter berücksichtigt werden sollen.
Im Bericht des Behindertenbeirats ist das Toiletten-Manko allerdings nur einer von vielen Punkten. Gerade die selbstständige Mobilität sei für die Lebensqualität behinderter Menschen wesentlich. Da ein eigenes Auto aber in vielen Fällen nicht infrage komme, sei der öffentliche Personennahverkehr besonders wichtig. Der barrierefreie Ausbau der Haltestellen in Trier sei leider größtenteils mangelhaft. „Es fehlt an den nötigen Bordsteinhöhen, barrierefreien Anzeigen und taktilen Leitzeichen“, sagt Gerd Dahm, der auch moniert, dass das Zuparken von Bürgersteigen in der Regel nur mit Verwarnungen sanktioniert werde. „Rollstuhlfahrern, die durch solche Rücksichtlosigkeit auf die Fahrbahn ausweichen müssen, ist damit nicht geholfen.“
Der Behindertenbeirat wünscht zudem mehr Einfluss im Bereich Wohnungsbau. Bei großen Wohnbauvorhaben würden die Belange behinderter Menschen nur unterstützt, wenn private Initiativen das einforderten. „Die Stadt könnte für Investoren zur Auflage machen, dass sie sich aktiv mit dem Konzept der inklusiven Stadt auseinandersetzen müssen“, schlägt Dahm vor. „Das wäre ein großer Schritt.“
Mehrere kleinere Schritte seien zudem nötig, um die Informationen zu verbessern, wo behinderte Menschen sich sportlich betätigen können. „Die Informationen im Sportatlas der Stadt sind im Bezug darauf völlig untauglich und eher irreführend.“ Das sei bereits bei der Vorstellung des Sportatlasses vom Behindertenbeirat deutlich kritisiert worden. Zu einer Verbesserung oder Korrektur habe das aber bislang nicht geführt.
Bei aller Kritik sieht Behindertenbeauftragter Gerd Dahm positive Entwicklungen: „Wir werden in der Regel an allen Entscheidungen im Stadtrat beteiligt. Wir hoffen, dass die Vorgabe, dies möglichst frühzeitig zu gewährleisten, zunehmend auch in allen Ämtern präsent ist.“
Und Heike Unterrainer wird gerne wieder Model stehen, wenn es mehr behindertengerechte Toiletten gibt.