"Wer das System ausbeuten will, der kann das auch"

Wie kann man nur so viele Medikamente horten, fragten sich Leser nach unserem Bericht über eine Frau aus dem Raum Schweich, die Schmerzmittel im Wert von mehr als 3000 Euro für Erdbebenopfer in Haiti spenden wollte (TV vom 21. Januar). Gezielter Missbrauch lasse sich nicht verhindern, sagt der Arzt Friedrich Schäffner.

Trier. (alf) Die gute Absicht, Schmerzmittel für die Erdbebenopfer in Haiti zu spenden, trat in den Leserreaktionen auf unseren Bericht über eine 34-jährige Frau aus der Verbandsgemeinde Schweich in den Hintergrund (siehe nebenstehende Leserbriefe).

Verschwenderin statt Spenderin - diese Formulierung trifft den Kern der Kritik: Wie kann es sein, dass in einer Zeit, in der die Kosten im Gesundheitswesen ins Uferlose steigen und die Krankenkassen anfangen, Zusatzbeiträge zu erheben, eine Patientin Schmerzmedikamente im Wert von mehr als 3000 Euro anhäufen kann? Wie berichtet, war sie von ihrem Arzt auf Morphinpflaster umgestellt worden.

"Wer das System ausbeuten will, der kann das auch", sagt Friedrich Schäffner, Trierer Urologe und stellvertretender Vorsitzender der Bezirksärztekammer. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient basiere auf Treu und Glauben. Schmerzen seien diagnostisch schwer erkennbar, deshalb müsse sich ein Arzt auf die Angaben des Patienten verlassen können und auch dementsprechend verschreiben.

Sie sei bei mehreren Ärzten in Behandlung, und sie habe die Erfahrung gemacht, jeder sehe nur sein Fachgebiet, sagt die Betroffene. Ihre Kritik: "Die Ärzte sprechen nicht miteinander, fragen auch nicht, was der Kollege schon verschrieben hat, und haben oft wenig Zeit für einen."

Auch die Ärzte seien an die Schweigepflicht gebunden, meint dazu Schäffner. Ein Datenpool, in dem etwa Informationen zu den Medikamentierungen anderer Ärzte einsehbar wären, sei weder technisch noch juristisch machbar. Im Übrigen würde das auch dem Grundgesetz widersprechen. Allerdings sollte ein Arzt seinen Patienten fragen, ob er schon Medikamente nehme und was er noch zu Hause habe.

Die 34-Jährige beteuert, sie habe die Medikamente nicht doppelt und dreifach horten wollen. Der Orthopäde habe halt andere Mittel verschrieben als der Internist oder der Nervenarzt. Die Kosten für die Kassen hätten sich in Grenzen gehalten, berichtet die Frau. Ein Großteil der Medikamente habe sie auf Privatrezept angeschafft.

Die Schmerzmedikamente hat die Frau mittlerweile an eine Obdachlosen-Hilfsorganisation in Berlin geschickt. Wie berichtet, werden Medikamente aus Privatbeständen nicht für Haiti angenommen.

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