Wer zu nah an der Schule wohnt, muss für Bus zahlen

Schweich/Trier · Kostenlos mit dem Bus zur Schule und zurück - das gilt bei weitem nicht für alle Kinder in Rheinland-Pfalz: Schüler der fünften bis zehnten Klasse müssen bis zu vier Kilometer Fußweg in Kauf nehmen - oder ihr Busticket selbst bezahlen. Der TV erklärt die rechtlichen Hintergründe zur Schülerbeförderung.

 Das Abitur steht häufiger am Ende der Schullaufbahn - auch von Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien. Doch Arbeiterkinder gehen im Anschluss deutlich seltener studieren. Foto: Patrick Seeger

Das Abitur steht häufiger am Ende der Schullaufbahn - auch von Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien. Doch Arbeiterkinder gehen im Anschluss deutlich seltener studieren. Foto: Patrick Seeger

Wie weit ist der Wohnort von der Schule entfernt? Ist der Weg dorthin besonders gefährlich? Die Antworten auf diese Fragen entscheiden darüber, ob Grundschüler und Schüler der Sekundarstufe I eine Gratis-Fahrkarte erhalten. In Rheinland-Pfalz gilt der Schulweg als unzumutbar, wenn er länger als vier Kilometer (für Grundschüler gelten zwei Kilometer) oder besonders gefährlich ist. Frage der Zumutbarkeit
Die Festlegung dieser Entfernungsgrenzen sei 1980 erfolgt, als die Aufgabe der Schülerbeförderung auf die Kommunen übertragen wurde, erläutert Wolf-Jürgen Karle, Pressesprecher des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums. Dabei hätten neben der Zumutbarkeit des Schulwegs für die Kinder auch finanzielle Erwägungen eine Rolle gespielt - etwa Kosten für die Kommunen als Träger und für das Land, das die Schülerbeförderung bezuschusst. Mit dem Zusatz, dass Schüler bei einem besonders gefährlichen Schulweg auch eine Fahrkarte bekommen, habe der Gesetzgeber eine "ausreichende Flexibilisierung" geschaffen, sagt Karle.Was die Gefahren angeht, driften die Meinungen von Eltern und Kommunen aber häufig auseinander: Eltern von Longuicher Schülern etwa, die das Schweicher Schulzentrum besuchen, halten den Gang über die im Winter oft spiegelglatte Brücke für zu gefährlich. Die Schweicher Polizei dagegen bewertete die Situation als weniger brenzlig. Die Folge: Für die Kinder aus Longuich gibt es kein Gratisticket. Gratisticket bei Gefahren
In der Stadt Trier erhalten laut Pressesprecher Dieter Jacobs zurzeit "geschätzt 90 Schüler " eine kostenlose Fahrkarte aufgrund der Gefährlichkeit des Schulwegs - geschätzt, weil das Schulverwaltungsamt darüber keine Statistik führe. Als ein Beispiel nennt Jacobs Schüler, die Auf der Heide in Trier-Ehrang wohnen und die St. Peter Grundschule besuchen. Ihr Weg sei kürzer als zwei Kilometer, führe jedoch "durch einsames bewaldetes Gebiet". Deshalb bezahle die Stadt die Busfahrt. Wo diese Regel nicht greift, sind Grundschüler täglich bis zu vier Kilometer zu Fuß unterwegs, Fünft- bis Zehntklässler sogar maximal acht Kilometer. Oder sie müssen ihr Busticket selbst bezahlen. Für Dieter Breithecker, Leiter der Bundesarbeitsgemeinschaft Haltung und Bewegung (BAG), ist das "physiologisch unproblematisch". "Wir muten den Kindern zu wenig zu", sagt der Bewegungs- und Sportwissenschaftler. Ein längerer Schulweg komme dem Rat vieler Gesundheitsexperten, eine halbe bis eine Dreiviertelstunde täglich zu Fuß zu gehen, sogar entgegen.Breithecker sieht ein anderes Problem, vor allem bei den Gymnasiasten: Ein Schulweg von fast acht Kilometern bedeute, bei einer Viertelstunde pro Kilometer, etwa zwei Stunden Fußweg am Tag. Diese Zeit fehle beim Lernen und Spielen, sagt der BAG-Chef. Dieser Zeitverlust sei mit den heutigen schulischen Anforderungen nicht mehr vereinbar..Kriterien für einen gefährlichen Schulweg Als besondere Gefahr auf dem Schulweg gilt beispielsweise, wenn die Schüler an Straßen entlanglaufen, an denen es keinen Bürgersteig gibt oder die unbeleuchtet sind. Auch das Überqueren stark befahrener Straßen ohne Zebrastreifen, Ampel oder Unterführung gilt als Risiko. Zudem muss die Straße aufgrund bestimmter Merkmale einen "gefährlichen Charakter" haben. Es genügt nicht, wenn nur gelegentlich ein verkehrswidriges Verhalten einzelner Autofahrer zu beobachten ist. (Quelle: Stadt Trier, aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Mai 2003) kat
Extra Finanzen Familien werden heute laut Wolf-Jürgen Karle vom Landesbildungsministerium stärker als bisher entlastet. Das gehe von der Beitragsbefreiung bei Kindergartenplätzen bis hin zur Schulbuchausleihe. Diese Maßnahmen belasteten künftig den Haushalt des Landes "beträchtlich". Unter Berücksichtigung auch der finanziellen Lage der Kommunen seien "finanzwirksame Verbesserungen" in der Schülerbeförderung - etwa Veränderungen bei der zumutbaren Entfernung - zwar "aus Sicht mancher Eltern wünschenswert, aber derzeit nicht finanzierbar". kat

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