Wertungsprüfung Mittelmosel der Rallye-WM: Die Welt zu Gast im Weinberg

Trier/Klüsserath · Weltmeisterliche Drifts und ein paar Ausritte: Wir haben bei der Wertungsprüfung Mittelmosel oberhalb von Klüsserath (Kreis Trier-Saarburg) Impressionen von der ADAC Rallye Deutschland gesammelt.

Wertungsprüfung Mittelmosel der Rallye-WM: Die Welt zu Gast im Weinberg
Foto: Andreas Feichtner

Egal, wie viel PS der Wagen hat, ob Bolide oder Schrottkiste: Es geht gaaanz langsam Richtung Weinberge, Schrittgeschwindigkeit, höchstens. Klüsserath zieht sich. Das gilt natürlich nur für die vielen, vielen Hundert Autos, die sich auf den Weg zur ersten Wertungsprüfung Mittelmosel machen, zu einem der Aussichtspunkte an der insgesamt 22 Kilometer langen Strecke. Es ist kurz nach halb zehn. Die bunte Karawane lässt erahnen, dass sich viele nicht erst nach dem Frühstück auf dem Weg an die Mittelmosel gemacht haben - jedenfalls nicht von der Heimat aus. Slowenien, Schweden, Spanien, Slowakei, das verrät der Kennzeichen-Blick der letzten drei Minuten. Jede Menge Holländer und Belgier sowieso. Die deutschen Kennzeichen sind gefühlt deutlich in der Unterzahl. "Mehr Zuschauer als in den Vorjahren", so wird es nachher aus einem Funkgerät eines Streckenpostens krächzen. Aber alle bekommen ihren Parkplatz.

Vier Tschechen suchen sich einen guten Platz an oder in den Weinbergen. In der Hand: das erste Bier des Tages. Es ist kurz vor zehn, okay, aber WM ist ja nur einmal im Jahr, zumindest an der Mosel. Wegen wem sie da sind? In der "Königsklasse" WRC, deren Fahrer den WM-Titel unter sich ausmachen, ist kein Tscheche am Start, auch kein Deutscher. "Wir sind wegen der Atmosphäre hier", sagt Jan. In den Mittelmosel-Weinbergen sind sie zum ersten Mal, bis Sonntag bleiben sie in der Region. Aber Rallyes locken sie immer wieder. Das Nah-dran-Sein. Das Fokussieren auf ein, zwei Kurven. Wer einen Gesamtüberblick haben will, ist hier falsch.

Hier, in den Weinbergen, zwischen Reben, auf den Mäuerchen oder am Bier- und Würstchenstand der örtlichen Feuerwehr steht Fachpublikum, fast ausschließlich. Die wenigsten sind Laien oder Spontanbesucher, denen man erklären müsste, dass hier die Uhr der Gegner ist, die engen Kurven oder die teilweise verschmutzte Strecke- und dass für die Piloten auf der Strecke im Normalfall keine anderen Konkurrenten zu sehen sind. Höchstens, wenn es den einen oder andere unplanmäßig in die Botanik treibt.

Wie gerade, fast zumindest. Den französischen WRC-Piloten Eric Camilli hat es aus der Haarnadelkurve gehauen. Zurücksetzen, weiter, aber Camilli muss schon während der ersten Kilometer nach einem weiteren Abflug aufgeben. Passiert ist nichts, nur eine mutig installierte Kamera haute es um, die dem Ford Fiesta RS WRC im Weg stand. "Da sehen Sie noch mal, warum die Auslaufzone so wichtig ist", spricht der Kommentator ins Mikro. Nicht ohne Grund. An einer anderen Kurve, 200 Meter weiter, hat der Streckenposten gut zu tun. Eigentlich ist sehr genau zu erkennen, wo man stehen und gehen darf. Die Schilder sind unmissverständlich. Der "Chief Marshall" muss sich trotzdem im Minutentakt wiederholen. "Hopp, hopp, hopp." "Raus aus der Auflaufzone, bitte."

Höflich, aber bestimmt. Auch wenn die Angesprochenen ziemlich großen Abstand zur Strecke haben. Dass es die Top-Piloten so weit aus der Kurve haut, ist zwar höchst unwahrscheinlich. "Aber da kommen später sicher auch noch ein paar Talentfreie", sagt ein Ordner und grinst. Die zehn WRC-Teams haben die Wertungsprüfung schon hinter sich, machen sich weiter auf den Weg zur Moselland-WP Richtung Piesport, Minheim, Kesten. Aber danach gehen noch über 70 weitere Rallye-Fahrzeuge anderer Klassen auf die Strecke. Und nicht jeder hat große Erfahrung mit solch engen Wingertsstraßen.

Drei Spanierinnen und drei Spanier haben sich für einen Einheitsdress entschieden, zumindest beim Oberteil. "Dani Sordo" steht auf den T-Shirts. Sordo ist schon ewig im Rallyegeschäft. 113 WM-Läufe hat er seit seinem Debüt 2003 hinter sich, kein aktueller Fahrer hat mehr. Aber gewonnen hat Sordo nur einen einzigen- 2013 in Trier. Auf den Strecken in der Region lief es für den Asphalt-Spezialisten meistens ziemlich gut. Auch wenn Sordo dem Weltmeister Sébastien Ogier kaum gefährlich werden kann. Die "Rallye Deutschland" ist ein beliebter Exot im WM-Rallyekalender - Schotter ist der Standard-Untergrund der Rallye-Piloten, eine reine Asphalt-Rallye die Ausnahme.

Schon zum Rallye-Auftakt bei der WP wird viel Geld an Bordsteine gesetzt. Einige Fahrer haben Probleme. Mit der Ende recht schmutzigen Strecke, mit Fahrfehlern oder Technikaussetzern. Die Polos, Fabias oder Hyundai kennt man zwar - nicht in der Rallye-Variante - aus dem Innenstadt-Alltag. Aber die WRC-Version des VW Polo mit 1,6-Liter-Motor kostet eben mal rund 600 000 Euro.

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