Wie albanische Asylbewerber Hals über Kopf aus Gusterath abgeschoben wurden

Gusterath/Trier · Überzogen, chaotisch, ohne Fingerspitzengefühl - so beschreiben Augenzeugen das behördliche Vorgehen bei der Abschiebung einer albanischen Familie, die in Gusterath gelebt hat. Nach dem Rückflug musste das Ehepaar mit seinen drei Kindern untertauchen - die Angst, von der Mafia entdeckt zu werden, ist groß.

 Wurden nach Albanien abgeschoben: Mutter Kimite F. (Dritte von links) mit ihren Kindern Igla, Izabella und Irid (von links). Foto: Privat

Wurden nach Albanien abgeschoben: Mutter Kimite F. (Dritte von links) mit ihren Kindern Igla, Izabella und Irid (von links). Foto: Privat

Gusterath/Trier. Auch mehr als eine Woche nach dem Vorfall sind Tessa und Andreas Huhn aus Gusterath noch entrüstet. Das Ehepaar hat miterlebt, wie eine von ihnen betreute fünfköpfige albanische Familie, die in Deutschland Asyl beantragt hat, am frühen Morgen des 13. Januar, einem Freitag, abgeschoben wurde. "Es war wie groteskes Theater, total chaotisch", berichtet Andreas Huhn.

13 Personen seien plötzlich gegen 5.45 Uhr in der Unterkunft der Familie F. in der ehemaligen Romika-Kantine aufgetaucht: vier Polizisten, vier Kreisbeamte, einer von der Verbandsgemeinde Ruwer, ein Übersetzer, ein Amtsarzt und zwei Polizisten in Zivil. Die albanische Familie hat darum gebeten, dass ihre Namen im Zeitungsbericht nicht genannt werden. Sie hat Angst, dass die Mafia, vor der sie auch nach Deutschland geflohen ist, sie aufspüren könnte.

Die Huhns erfuhren von der Abschiebeaktion nur, weil sie mit dem Familienvater vereinbart hatten, dass er im Notfall die Speichernummer A (für Andreas Huhn) an seinem Handy drückt. So bekamen sie zunächst nur ein Stimmengewirr mit. Das Telefonieren mit seinen Betreuern sei dem Albaner untersagt worden. "Wir dachten zunächst, eines der Kinder sei krank", erzählt Tessa Huhn. "Doch dann war uns klar, was dort gerade passiert, und wir sind sofort hingefahren." Schon in der Eingangshalle hätten sie laute Schreie von der Mutter vernommen.
Sie sei noch im Pyjama gewesen und habe, völlig mit den Nerven am Ende, eine Beruhigungsspritze bekommen, berichten die Huhns. Als sie sich immer noch nicht beruhigen wollte, habe man ihr Handschellen angelegt - vor den Augen der Kinder. Immer wieder sei die albanische Familie aufgefordert worden, sich doch endlich anzuziehen und die Sachen zu packen ("aber nicht mehr als 20 Kilo"). "Die hatten keinen Plan, alles ging durcheinander", sagt Andreas Huhn. "Wir mögen in Deutschland eine Willkommenskultur für Flüchtlinge haben, aber wir haben keine Abschiedskultur."

Er hat den Eindruck, dass die Polizisten mit der Situation überfordert waren, lediglich eine junge Polizistin sei sachlich geblieben und habe beim Umgang mit den Kindern Fingerspitzengefühl bewiesen.
Dass sie sehr wahrscheinlich nicht in Deutschland bleiben könne, habe die Familie F. gewusst, sagen die Huhns. Albanien werde als sicheres Herkunftsland eingestuft. Dennoch hätten sich Vater, Mutter und die drei Kinder im Alter von zwölf, zehn und sieben Jahren Hoffnung gemacht, bleiben zu können. Schließlich waren sie in Gusterath sehr gut integriert, lebten dort mehr als zwei Jahre. Der Vater arbeitete bis zu einer Rücken-OP als Schreiner, die Mutter war eine gefragte Putzkraft, die Kinder gute Schüler. Außerdem standen sie nicht im Verdacht, Wirtschaftsflüchtlinge zu sein, denn sie waren ja vor der Mafia geflohen. Als Wärter in einem Hochsicherheitsgefängnis sollte E. F. auf Drängen der Mafia Drogen einschmuggeln. Als er sich geweigert habe, sei er unter Druck gesetzt worden.Neue Bleibe gefunden


Unter anderem habe man ihm angedroht, dass seinen Kindern etwas passiere. Daraufhin sei der Entschluss gereift, in Deutschland Schutz zu suchen. Am Vortag der Abschiebung konnte Familie F. noch darauf hoffen, dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz ein Bleiberecht ausspricht. Der Anwalt der Familie hatte dort einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die abweisende Asylklage des Verwaltungsgerichts Trier vom September 2016 eingelegt. Die abschiebende Behörde, in diesem Fall die Kreisverwaltung Trier-Saarburg, musste die Entscheidung des OVG nicht abwarten. Wie Kreissprecher Thomas Müller mitteilt, sei der Familie F. wiederholt eine freiwillige Ausreise angeboten worden. Auf mehrere Anschreiben habe sie sich aber nicht gemeldet.

Die weitaus meisten im Kreis wohnenden Menschen aus den Westbalkanstaaten hätten das Angebot der freiwilligen Ausreise angenommen, sagt Müller (siehe Extra). Werde dies ausgeschlagen, sei "die Ausreiseverpflichtung nach den entsprechenden Vorgaben im Wege der Abschiebung durchzusetzen". Schon kurz nach ihrer Ankunft auf dem Flugplatz in Tirana hat sich Familie F. bei den Huhns in Gusterath gemeldet. Mittlerweile habe sie eine Bleibe gefunden, es gehe ihr gut, berichten die Betreuer aus Gusterath. Sie schicken jetzt Pakete mit dringend benötigten Habseligkeiten wie Decken und Laken, die die Familie in der Wohnung zurücklassen musste.Extra

Laut Kreisverwaltung hat sich die Flüchtlingslage im Kreis Trier-Saarburg deutlich entspannt. Es gebe rund 1500 Flüchtlinge im Kreis, 1141 befänden sich in laufenden Asylverfahren. Die meisten Asylbewerber kommen aus Kriegsgebieten wie Syrien oder dem Irak. 17 Menschen stammen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern. Im vergangenen Jahr sind 233 Staatsangehörige aus den als sicher geltenden Westbalkanstaaten (Albanien sowie Staaten des ehemaligen Jugoslawien) nach abgelehntem Asylantrag freiwillig ausgereist. Zwölf Menschen sind abgeschoben worden, darunter zwei, die in Luxemburg registriert waren und bei denen der Kreis Amtshilfe geleistet hat. Im Jahr 2017 sind bisher fünf Menschen abgeschoben worden (die Familie F., siehe Bericht) alf

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