Wie die Flucht Trier-West verbindet

Trier · Regisseur Ralf Kotschka zeigt die Fluchtgeschichten von acht Bewohnern des Stadtteils in einem Film. "Ein Riss in der Seele" gibt es nun, nach der Premiere, in Schulen zu sehen - und bald erneut im Broadway.

 Regisseur Ralf Kotschka präsentiert seinen Film „Ein Riss in der Seele“ und sagt den Besuchern, dass sie alle Glück gehabt hätten, denn sie mussten nie fliehen. TV-Foto: Julia Schulz

Regisseur Ralf Kotschka präsentiert seinen Film „Ein Riss in der Seele“ und sagt den Besuchern, dass sie alle Glück gehabt hätten, denn sie mussten nie fliehen. TV-Foto: Julia Schulz

Foto: Julia Schulz (jusc) ("TV-Upload Schulz"

Trier Bilder von schlafenden Kindern am Wegrand, Familien, die zu Fuß weite Strecken zurücklegen, und zerbombten Häusern laufen über die Leinwand. Flucht ist seit 2015 in Deutschland wieder ein großes Thema. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass einige Einwohner Trier-Wests selber fliehen mussten. In dem Dokumentationsfilm "Ein Riss in der Seele" von Ralf Kotschka, der gerade im Broadway eine ausverkaufte Premiere gefeiert hat, treffen Erinnerungen der Nachkriegszeit auf heutige Fluchterfahrungen. "Damals wie heute hat fast niemand seine Heimat freiwillig verlassen, sie alle sind Vertriebene", sagt der Autor.
Der ehemalige Polizeioffizier Wazir M. (36) ist auf der Leinwand zu sehen. Er floh aus Afghanistan, weil er von den Taliban gesucht wurde. Beim Gedanken an seine zurückgelassene Familie kommen ihm die Tränen, denn sie könnte jeden Tag sterben. Sylvia M. (67) kam nach dem zweiten Weltkrieg als Kind mit ihrer Familie nach Westdeutschland. Sie berichtet, wie sie sich damals ihre Kindheit im Auffanglager schöngespielt habe: "Ich erkenne mich in den Flüchtlingskindern von heute wieder." Dennoch hatte Sylvia früh damit zu kämpfen, dass andere Kinder sie wegen ihrer Herkunft ausschlossen. Heute ist Trier-West für alle eine neue Heimat.
Eine Besucherin fand es besonders gut, dass der Film auch diese alten Geschichten thematisiere und man diese so nicht vergesse.
Es sei schwierig gewesen, Menschen zu finden, die ihre Geschichte erzählen wollten, verrät Kotschka. Neue Flüchtlinge hatten Angst, dass der Film negative Konsequenzen für ihre zurückgebliebenen Familien haben könnte. Die älteren Menschen hätten ihre Geschichten teilweise noch nie erzählt. Dennoch schaffte Kotschka es, zu acht Menschen Vertrauen aufzubauen, die in Interviews von ihrem Leid erzählen.
Im Sommer 2015 hospitierte der Kunsthistoriker und Medienproduzent in der Jägerkaserne in Trier-West und entwickelte dort seine Filmidee, an der er zusammen mit zehn Menschen zwei Jahre lang arbeitete. "Ich möchte den Film für sich sprechen lassen, aber ich hoffe, dass er Verständnis für die Flüchtlinge von heute wecken kann" sagt er. Die Protagonistin Rosalia (67) spricht zum Schluss aus ihrer eigenen Erfahrung zu den Flüchtlingen: "Haltet durch. Ein Später gibt es immer, und meistens ist das besser." Die Dokumentation ist Teil des Projekts "Fluchterfahrungen" und wird kostenlos an Schulen und Bildungseinrichtungen in Trier verteilt. Am Sonntag, 10. Dezember, um 17.30 Uhr gibt es außerdem eine zweite Vorstellung im Broadway Filmtheater.
Mehr zum Projekt "Fluchterfahrungen" und der Dokumentationsfilm "Ein Riss in der Seele" unter www. fluchterfahrungen.de

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