Wie langweilig ist das Trierer Nachtleben wirklich? Das sagt der Autor des Spiegel-Beitrags

Trier · Das Trierer Nachtleben: für Studenten total langweilig. Diesen Eindruck hat ein Artikel im Uni-Spiegel vermittelt. Im Internet wird der Artikel seit einigen Tagen heftig diskutiert. Der Trierische Volksfreund hat deshalb den Autor gefragt: Ist Trier denn wirklich so schlimm?

 Gefangen in Geschichte - der Beitrag aus dem Uni-Spiegel sorgt in Trier für Diskussionen.

Gefangen in Geschichte - der Beitrag aus dem Uni-Spiegel sorgt in Trier für Diskussionen.

Foto: Friedemann Vetter

"Gefangen in Geschichte", so hat der Uni-Spiegel eine Geschichte betitelt, in der sich der freie Journalist Felix Bohr mit dem Trierer Nachtleben befasst. Erschienen ist der Beitrag unter der Rubrik "Eines Nachts in…", in dem das Magazin aus Hamburg beschreibt, was in Unistädten passiert, wenn der Tag zu Ende geht. Das Trierer Nachtleben kommt in diesem Artikel nicht besonders gut weg ("Laaangweilig"). Trier selbst wird von einigen befragten Studenten als überlaufen von Senioren-Touristen beschrieben, die Trierer als "sehr verschlossen", die Mundart als "komischer Dialekt". Zu vorgerückter Stunde gebe es kaum noch Ausgehmöglichkeiten, und die Clubs würden früh schließen. Auf der Internetseite des Spiegel sowie auf der Facebook-Seite des Trierischen Volksfreunds hat der Beitrag sehr kontroverse Diskussionen ausgelöst auch, weil nicht alle Fakten richtig recherchiert sind (zum Beispiel eine falsche Studentenzahl). Viele junge Leute widersprechen dem Autor und loben Trier, einige geben ihm aber auch recht und sagen, das Trierer Nachtleben sei eben langweilig. Wie ist es um die Studentenstadt Trier bestellt? TV-Redakteur Michael Schmitz hat mit dem Autor des Beitrags, Felix Bohr, darüber gesprochen.

Herr Bohr, als einem Kind der Region Trier gelingt mir das "sch" und "ch" manchmal nicht so richtig. Deshalb vorab die Frage: Können Sie mich denn verstehen? Geht das so oder brauchen Sie eine Übersetzung?
Bohr: Nein, ich kann Sie sehr gut verstehen.

Sie wissen, worauf ich anspiele. Dass Sie in Ihrem Beitrag den Trierer Dialekt kritisiert haben, kommt ja bei vielen Trierer nicht besonders gut an. Das Trierer Nachtleben kommt auch nicht so gut weg. Wollten Sie es sich denn unbedingt mal so richtig verderben mit den Trierern?
Bohr: Nein, gar nicht. Ich habe nur versucht, das Trierer Nachtleben so zu beschreiben, wie ich es in dieser einen Nacht erlebt habe. Das sollte die Trierer in keiner Weise verletzen. Ich wollte auch nicht den Dialekt kritisieren, aber wenn man sich wie ich meist außerhalb der Stadtgrenzen Triers bewegt, dann klingt der Dialekt schon recht komisch.

Sie haben - laut ihrem Text - Schnaps mit Chili getrunken, um die Mundart besser ertragen zu können. Finden Sie Trierisch wirklich so schlimm?
Bohr: So schlimm, dass ich mich jedes Mal betrinken müsste, wenn ich Trierisch höre, ist es natürlich nicht.

Hand aufs Herz: Haben Sie nicht auch ein bisschen dick aufgetragen? Eine Kneipe beispielsweise, in der so viel Dialekt gesprochen wird, dass man einen Übersetzer braucht, findet sich doch heute gar nicht mehr in der Stadt.
Bohr: Das wissen Sie besser als ich. Aber ich denke schon, dass es in Trier noch viele urige Kneipen gibt, in denen Dialekt gesprochen wird. Zugegebenermaßen: Ich habe manche Beobachtungen in meinem Beitrag etwas überspitzt dargestellt.

Die Serie im Uni-Spiegel, "Eines Nachts in…" ist ja auch ein bisschen polemisch angelegt, da wird gerne mal ein bisschen provoziert. Jenseits der Polemik: Ist denn das Trierer Nachtleben wirklich so erbärmlich, wie Sie es beschrieben haben?
Bohr: Ich wollte das Trierer Nachtleben keineswegs als erbärmlich schildern - ich hoffe, das kommt im Artikel auch nicht so rüber. Sagen wir mal so: Ich lebe seit vielen Jahren in großen Städten, und von dieser Warte aus betrachtet ist es vielleicht etwas verschlafen, aber nicht erbärmlich.

Sie sind ja ursprünglich auch selbst Trierer, aber schon länger in die "echte" Großstadt Berlin verzogen. Hat sich denn im Vergleich zu ihrer Trierer Partyzeit wesentliches verändert?
Bohr: Ich denke schon. Ich bin in Trier geboren und auch aufgewachsen, und zu meiner Zeit ging es, sagen wir, etwas wilder zu.

Was macht denn nach Ihrer Meinung großstädtisches Nachtleben wie in Berlin aus? Oder anders gefragt: Was müsste Trier Ihnen bieten, damit Sie einen begeisterten Artikel schreiben?
Bohr: Das Trierer Nachtleben hat natürlich keine Chance, gegen Berlin oder Hamburg, wo ich auch gelebt habe, anzukommen, einfach aufgrund der vielen Möglichkeiten, die diese Städte bieten. Das erwarte ich aber auch nicht, wenn ich nach Trier fahre.

Bei Ihrem Rundgang haben Sie immer wieder das historische Trier beschrieben und suchen den "Notausgang in die Gegenwart". Warum darf Trier denn nicht einfach so bleiben wie es ist - andere Städte wären froh, sie hätten so viel Historie zu bieten wie Trier?
Bohr: Ich wäre der Letzte, der Trier sagen würde, es dürfe nicht so bleiben wie es ist. Ich mag Trier sehr gerne - auch wenn das vielleicht der eine oder andere Leser des Artikels nicht glauben will. Trier besitzt beeindruckende Kulturschätze von weltweiter Bedeutung. Aber die strahlen halt nicht aus aufs Nachtleben. Die Vergangenheit Triers und den Sprung in die Gegenwart habe ich in meinem Artikel als Stilmittel benutzt.

Ein Artikel über die Region in einer überregionalen Zeitung hat schon einmal eine große Debatte ausgelöst. 2013 sorgte ein FAZ-Beitrag über Tourismus an der Mosel ("Moselochsen"), dafür, dass ernsthaft über Versäumnisse diskutiert wurde. Haben Sie die Hoffnung, dass das auch nach Ihrem Artikel so sein wird?
Bohr: Dass sich das Trierer Nachtleben wegen meines Beitrags grundsätzlich verändert, erwarte ich natürlich nicht. Aber ich freue mich, dass die Diskussion auch in Internetforen rege ist - von manchen Beleidigungen abgesehen. Grundsätzlich lohnt sich so eine Diskussion über das Trierer Nachtleben ja sicherlich.

Die Reaktionen auf den Artikel sind ja vergleichsweise gut verteilt. Es gibt Befürworter, die sagen, "Der Autor hat schon recht", andere sind aber auch ziemlich sauer mit Ihnen, sagen: " Watn puupes!" oder: "Wenn man sich auskennt, findet man immer was, wo man feiern kann." Haben Sie keine Angst, dass Sie beim nächsten Besuch in Trier nicht mehr bedient werden?
Bohr: Nein, überhaupt nicht. Ich habe viele Freunde in Trier, ich glaube nicht, dass ich so schnell verstoßen werde. Die harsche Kritik mancher Kommentatoren möchte ich auch zurückweisen. Wer den Text richtig gelesen hat, der müsste bemerkt haben, dass ich große Zuneigung zur Stadt empfinde. Außerdem stimmt mir ein Teil der Kommentatoren ja durchaus zu. Vielleicht habe ich einfach einen wunden Punkt getroffen. Zur Person

Felix Bohr (33) ist geboren und aufgewachsen in Trier. Seit zwölf Jahren lebt er in Berlin - mit Zwischenstationen in Rom und Hamburg, wo er nach seinem Studium zunächst als Journalist tätig war. Derzeit ist er Doktorand im Fach Zeitgeschichte und untersucht die Strukturen der westdeutschen "Kriegsverbrecherlobby" in der Nachkriegszeit. Nebenbei schreibt er als freier Autor über wissenschaftliche und kulturelle Themen.

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