Wie Nachbarn das tödliche Drama in Trier-Pfalzel einschätzen - Vor 40 Jahren die ersten Mieter im Haus

Trier-Pfalzel · Tragisches Ende einer langen und guten Ehe in Trier-Pfalzel: Offenbar in geistiger Verwirrung hat dort am Samstagabend ein 82-Jähriger laut Staatsanwaltschaft mehrfach auf seine 81 Jahre alte Ehefrau eingestochen. Obwohl der Mann selbst die Polizei rief, kam jede Hilfe zu spät. Die Nachbarn sind schockiert und traurig.

 Unauffällige Optik: In diesem Mehrfamilienhaus geschah die Tat am Samstagabend.

Unauffällige Optik: In diesem Mehrfamilienhaus geschah die Tat am Samstagabend.

Foto: Friedhelm Knopp

Die Tür der Parterrewohnung im Haus in der Rothildisstraße, wo das Ehepaar lebte, ist mit zwei amtlichen Sperrsiegeln der Polizei versehen. Die Rollläden zur Straße sind heruntergelassen.

Nebenan hat Gretel Bitinger (81), die unmittelbare Nachbarin des Paares, gerade Besuch von Agnes Böck (83), einer Bewohnerin des Hochhauses gegenüber. Mit am Tisch eine Bekannte der beiden, die das betroffene Ehepaar aber nur entfernt vom Sehen kennt.

Bitinger und Böck sind von den Ereignissen des Vorabends entsetzt, stimmen aber in der Einschätzung des Dramas überein: "Der Mann war dement und an den Rollstuhl gebunden. Er hat wohl gar nicht begriffen, was passierte. Der wollte seiner Frau bestimmt nichts Böses antun, die hat doch alles für ihn getan. Ihm ist bestimmt keine Schuld zuzuschreiben. Und die Kinder tun uns so leid."

Seit 16 Jahren wohnt Bitinger in dem Haus mit den sechs Parteien. Die Nachbarn seien ruhige und nette Leute gewesen, und man habe auch nie ein lautes Wort zwischen den beiden gehört.Krankenwagen und Notarzt

Das Haus wurde laut Böck vor etwa 40 Jahren von der Pfalzeler Baugenossenschaft errichtet. Das Paar habe damals wohl zu den ersten Mietern gezählt. Böck: "Das war fast noch ein Rohbau, als die hier einzogen." Der Mann habe in etwas höherer Position im ehemaligen Fliesenwerk Agrob gearbeitet, "wie so viele Pfalzeler damals bei Agrob waren". Und fast alle Bewohner seien mit dem Haus gealtert: "Heute wohnen bis auf eine Ausnahme nur noch Senioren hier."
Das Paar hat zwei Töchter. Eine wohnt im Hochhaus gegenüber und hat sich nach Angaben der Nachbarin jeden Tag um die Eltern gekümmert. Der Mann selbst habe sich zuletzt kaum noch helfen können und sei von seiner etwas gehbehinderten Frau versorgt worden. Die zweite Tochter wohnt auch in Pfalzel und bekleidet verschiedene Ehrenämter im Ort. Diese Enkel hätten regelmäßig den Kehrdienst vorm Haus übernommen.

Vom direkten Tatgeschehen hat Nachbarin Bitinger nichts bemerkt. "Wir hatten bis gegen 22.30 Uhr Fernsehen geguckt. Dann ging es plötzlich im Treppenhaus los mit Polizei, Krankenwagen und Notarzt." Vorher sei ihr nichts aufgefallen.

Agnes Böck im Haus gegenüber wurde um die Zeit durch den Widerschein der Blaulichter in ihrem Fenster aufgeschreckt. Böck: "Ich wusste zunächst nicht, was passiert war." Als dann der Krankenwagen wieder wegfuhr, habe sie geglaubt, der schwerkranke Herr aus Parterre sei gestorben. Und sie fügt hinzu: "Die haben sich doch all die Jahre so gut verstanden - auch mit den Töchtern. Wie mag ihm jetzt zumute sein? Wir sind alle traurig."Extra

 Die Kriminalpolizei hat den Eingang zur Wohnung des Ehepaars in Pfalzel amtlich versiegelt.

Die Kriminalpolizei hat den Eingang zur Wohnung des Ehepaars in Pfalzel amtlich versiegelt.

Foto: Friedhelm Knopp

Der 82-jährige Beschuldigte wurde laut Staatsanwaltschaft amtsärztlich untersucht. Dabei hätten sich Anhaltspunkte für eine Psychose aufgrund schwerer Demenzerkrankung ergeben. Vor diesem Hintergrund könnte der Mann zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gewesen sein. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts ließ den Mann vorläufig in einer forensisch-psychiatrischen Klinik unterbringen. cus

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