Wieder stürzt ein Stamm in Trier um - Dezernentin: "Wir können unsere Bäume nicht anbohren"

Trier · Ein 30 Jahre alter Baum ist in Trier-Heiligkreuz umgestürzt und hat den Gehweg bei einer Bushaltestelle getroffen. Niemand wurde verletzt. Die Stadtverwaltung spricht von einem Pilzbefall, der eine von außen nicht erkennbare Wurzelfäule verursacht habe. Dezernentin Simone Kaes-Torchiani stellt sich den Fragen des TV.

An der Haltestelle Im Hopfengarten in Heiligkreuz ist in der Woche vor Ostern ein Baum umgekippt. TV-Foto: Friedemann Vetter

An der Haltestelle Im Hopfengarten in Heiligkreuz ist in der Woche vor Ostern ein Baum umgekippt. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Der Baum stand in der Bernhardstraße und fiel direkt neben der Bushaltestelle Im Hopfengarten um. Die Stadtverwaltung Trier hat diesen Vorfall nicht öffentlich gemacht, bestätigt ihn aber auf Anfrage des TV. "Es steht zu befürchten, dass ein dort gehender oder stehender Fußgänger verletzt worden wäre", sagt Hans-Günther Lanfer vom Presseamt der Stadt. Doch zum Glück war der Gehweg leer, als der Baum in den Nachtstunden Ende März stürzte. Im November hatte eine kippende Kastanie eine 70-jährige Fußgängerin in der Trierer Innenstadt erschlagen (siehe Extra).
Inzwischen ist der Stamm aus Heiligkreuz abtransportiert worden. Fragen und Zweifel bleiben. Zwei stürzende Bäume im Stadtgebiet innerhalb von fünf Monaten rücken die 24 000 auf städtischen Flächen stehenden Stämme - 18 000 in direkter Nähe von Straßen, Spiel- und Sportplätzen - als potenzielles Risiko ins Bewusstsein vieler Menschen. Das Kontrollsystem des Grünflächenamts stößt hier offenbar an seine Grenzen: Der gefallene Baum von Heiligkreuz war laut Mitteilung des Presseamts zuletzt am 7. August 2012 überprüft und als gesund eingestuft worden. "Es waren keine Schadsymptome erkennbar", sagt Stadtsprecher Lanfer. Warum ist der Baum gefallen? Die Untersuchung habe ergeben, dass ein Pilz verantwortlich ist. Er habe eine Wurzelfäule verursacht, "die von außen nicht erkennbar ist". Der Stamm selbst sei vollkommen intakt.
Prüfung einmal im Jahr


Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani stellt sich der Frage, ob das in ihrer Zuständigkeit liegende Grünflächenamt seine Kontrollfrequenzen und Methoden ändern muss. "Wir können unserer Bäume nicht anbohren, um zu sehen, ob ein von außen nicht erkennbarer Pilz drinsitzt", betont sie. "Damit würden wir sie massiv verletzen." Die Verwaltung prüft einmal im Jahr die Bäume in der Stadt auf ihre Standsicherheit. Ein elektronisches Baumkataster wird noch aufgebaut (der TV berichtete). Von den 18 000 bisher erfassten Bäumen gelten mehr als 2400 als nicht mehr gesund.
Nach Ansicht der Baudezernentin reichen die Wurzeln der heutigen Baumprobleme bis weit in die Vergangenheit. "In den vergangenen 30 Jahren wurden die Tiefbaufachleute immer wieder an die Wand gedrückt, wenn es um das Pflanzen von Bäumen ging", betont sie. "Ein Baum sollte nur dort gepflanzt werden, wo er Platz hat, ordentlich zu wachsen." Doch diesen Grundsatz habe man oft ausgeblendet. "Sobald es um Straßenplanungen ging, meldeten sich immer wieder Ausschüsse und Ortsbeiräte mit dem Wunsch, hier und da auch Bäume zu setzen." Bedenken der Bauexperten seien immer wieder ignoriert worden.
"Heute sehen wir das Ergebnis", sagt Kaes-Torchiani. "Trier ist nicht die einzige Stadt, die mit diesem Problem zu kämpfen hat und von Baumunfällen betroffen ist." Damit hat sie recht. Ende März stürzte in Bad Godesberg ein Baum auf eine Straße und traf das Auto eines 59-Jährigen, der leicht verletzt wurde.
Der gestürzte Baum von Heiligkreuz werde intensiv analysiert. Kaes-Torchiani: "Ich will genau wissen, mit welcher Art von Pilz wir es zu tun haben."Meinung

Eine Kontrolle im Jahr reicht nicht
Triers Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani spricht in der ihr eigenen direkten Art ein konkretes Problem an. Viele der 24 000 Trierer Bäume wurden vor Jahren gepflanzt, weil sie an der entsprechenden Stelle gut aussehen und das Stadtbild grüner machen sollen. Doch oft haben sie zu wenig Platz oder werden zu Opfern von Umwelteinflüssen, die schließlich ihre Stabilität gefährden. Dann droht massive Gefahr. Zwei Beispiele dieser Art hat die Stadt Trier im vergangenen halben Jahr erlebt. Ein Drittes darf es definitiv nicht geben. Das Grünflächenamt kann keinen Baum probeweise aufschneiden, um zu sehen, ob er innen so gesund ist, wie es von außen den Anschein hat. Doch die aktuelle Praxis - eine Sichtkontrolle im Jahr - reicht nicht aus. Das steht nach zwei überraschend umstürzenden Bäumen fest. Die Stadt Trier wird einen neuen Operationsmodus brauchen, um die Sicherheit ihrer Bäume und Bürger zu schützen. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Eine Kastanie im Wilhelm-Rautenstrauch-Park fällt am 23. November 2012 um die Mittagszeit auf die gleichnamige Straße. Der 80 Jahre alte und 15 Meter hohe Baum verfehlt eine Schülergruppe knapp. Seine Äste verletzten einen Mann am Bein, eine 70-jährige Passantin wird unter dem Baum begraben. Für sie kommt jede Hilfe zu spät. Noch am Tag des Unglücks gibt die Trierer Staatsanwaltschaft ein Gutachten bei einem Baumsachverständigen in Auftrag. Dieser soll klären, ob die städtischen Baumkontrolleure bei einer Routinekontrolle am 1. Oktober hätten bemerken können, dass der Baum offenbar so morsch war, dass er jeden Moment umfallen konnte. Wenige Tage später eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung - gegen unbekannt, da nicht klar sei, ob jemand konkret für diesen tragischen Unfall verantwortlich zu machen ist. Diese Ermittlungen laufen noch. jp

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort