Winzer haben Angst vor kalter Seeluft

Thörnich · Ein geplanter Stausee der Trierer Stadtwerke bei Ensch wird keine schädlichen Auswirkungen auf die Rebflächen im gegenüberliegenden Thörnich haben. Diese Aussage eines Trierer Umweltwissenschaftlers hat die betroffenen Winzer nicht wirklich überzeugt.

Thörnich. Große Zustimmung gab es anfangs für ein Pumpspeicherkraftwerk, das die Stadtwerke Trier (SWT) auf den Höhen zwischen Schweich und Ensch planen. Doch inzwischen mehren sich die kritischen Stimmen. Die 300-Megawatt-Wasserkraftanlage mit einem künstlichen oberen Speichersee bei Bekond und einem aufgestauten Untersee im Kautenbachtal bei Ensch soll die in der Region erzeugte Solar- und Windenergie auffangen und bei Bedarf ins Netz abgeben (der TV berichtete).
Verstärktes Frostrisiko


Das Projekt ist bekannt, das Genehmigungsverfahren läuft, und die geologischen Untersuchungen haben Anfang 2013 begonnen. Doch dann wurden vor allem aus Thörnich erste Bedenken laut. Ortsbürgermeister Hans-Peter Brixius und Ratsmitglied Josef Longen - beide Winzer - befürchten negative Folgen für die rund 70 Hektar (70 000 Quadratmeter) umfassenden Weinanbauflächen, die sich rund um Thörnich erstrecken. Der Stausee im Tal auf der anderen Moselseite würde diesen Flächen direkt gegenüberliegen.
Die Annahme der Kritiker: Im Frühjahr, wenn die Reben austreiben, werde das ohnehin erhöhte Frostrisiko noch verstärkt. Bei der schnellen Befüllung des unteren Stausees am Morgen wälze sich die Kaltluft aus der riesigen "Stausee-Wanne" und verstärke die Frostgefahr auf der gegenüberliegenden Moselseite.
Trifft die Theorie zu? Um dies zu beleuchten, hatten die SWT den Umweltmeteorologen Günther Heinemann von der Universität Trier mit einem Gutachten beauftragt. In einer von den SWT einberufenen Bürgerversammlung in Thörnich, an der vorwiegend Winzer aus dem Ort und den umliegenden Gemeinden teilnahmen, entkräftete Umweltexperte Heinemann die Bedenken. Umfassend erläuterte er die Zusammenhänge von Kaltluftbildung, Hangwinden und den Luftströmungen in den Tallagen.
Das zusammengefasste Fazit des Wissenschaftlers: "Die gefährliche Frühjahrs-Kaltluft in den Weinlagen bei Thörnich bildet sich in den Anbauflächen selbst, die Kaltluftströme von der gegenüberliegenden Moselseite sind nicht in der Lage, den Fluss zu überqueren." Und: Der Bau eines Staudamms bei Ensch führe sogar zu geringeren Kaltluftströmen aus dem Kautenbachtal.
Großen Beifall hatten SWT-Projektplaner Rudolf Schöller und Bernhard Gillich nach diesen Aussagen sicher nicht erwartet. Tatsächlich überwog die Skepsis unter den Winzern. Die verwiesen auf ihre eigenen, langjährigen Erfahrungen mit dem örtlichen Kleinklima im Moseltal. Insbesondere die These, dass die Kaltluft aus den Tälern vor dem Fluss haltmache, stieß auf Widerspruch.
Hat der Wissenschaftler recht, oder ist er nur Theoretiker? Sehen es die Winzer aus der praktischen Erfahrung richtig, oder unterliegen sie Fehleinschätzungen, weil sie die größeren Zusammenhänge nicht kennen? Dieser Disput konnte am Abend im Thörnicher Gasthaus "Zur alten Fähre" nicht beigelegt werden. Am Ende bleibt festzuhalten: Die SWT-Leute und der Experte haben das Misstrauen gegenüber dem Großprojekt nicht abbauen können.Meinung

Warum keine Messstation?
Großprojekte wie das von den Trierer Stadtwerken (SWT) geplante Pumpspeicherkraftwerk schüren Ängste und Bedenken. In der Hinsicht leben die Trierer Planer des 300-Megawatt-Energiespeichers bisher noch recht komfortabel - Widerworte sind selten. Dennoch sollten die Sorgen der Winzer im Umfeld des Projekts im Blick behalten werden, denn leicht könnte sich diese Kritik zum Flächenbrand ausweiten. Hilfreich klingt da ein Vorschlag, der aus den Reihen der Winzer selbst kommt: Warum keine Wettermessstation vor dem Staudamm platzieren? Dann wären die Ergebnisse des Gutachtens einerseits überprüfbar, andererseits ließe sich bei Extremwetterlagen die Befüllung des Beckens rechtzeitig stoppen. Der Experte der Uni Trier zeigte sich spontan bereit, so eine Station zu installieren - doch die SWT-Planer spielten diesen Vorschlag wieder herunter. Ein Schelm, der Böses dabei denkt ... nachrichten@volksfreund.deExtra

Auch in den Nachbarorten Mehring, Longen und Longuich gibt es Bedenken der Winzer. Dort richtet sich der Blick mehr auf das geplante Oberbecken. Hans Zisch aus Mehring: "So eine riesige Anlage mit ihren künstlichen Seen kann nicht ohne Folgen für unser Kleinklima und damit für unsere Rebflächen sein." Die Stimmung in den betroffenen Orten sei "etwas nervös" angesichts der gigantischen Pläne. Projektleiter Rudolf Schöller und Projektmitarbeiterin Sandra Folz kündigten daher für Januar oder Februar eine Info-Veranstaltung für die betroffenen Orte an. f.k.

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