"Wir denken oft an Piroschka”

TRIER. Fast so schön wie in Wien am Schloss Schönbrunn. Doch wir sind in Trier, wo Rudolf Alt mit "Piroschka" am Kurfürstlichen Palais per Kutsche zu den schönsten Sehenswürdigkeiten Triers aufbricht. Mal ehrlich: Kann Trier bei diesen Anblick mit der Josefsstadt nicht mithalten?

"Wir sind ein eingespieltes Team, Piroschka und ich", schwärmt Rudolf Alt, Trierer Hobby-Kutscher. Man glaubt es ihm, denn ein Glänzen in seinen Augen ist unverkennbar, wenn er von der polnischen Stute spricht.Seit vielen Jahren prägen sie das Stadtbild. "'Du armer Jong, musst du in deinem Alter noch fahren', hat mich mal ein Bekannter gefragt - und das auch noch ernst gemeint", erzählt Alt schmunzelnd Weder muss er fahren, noch muss sich Piroschka ihren Hafer verdienen. Alt erfüllt sich einen Jugendtraum. "Als Kind habe ich alles aufgesogen, was ich von meinem Vater über Pferde gehört habe", beschreibt der 73-Jährige seine Begeisterung.Für 4000 Mark kaufte er sein Pferd

Vater Franz Alt war ein bekannter Trierer Huf- und Wagenschmied mit Firmensitz in der Metzelstraße. "Wir haben noch bis 1954 Pferde beschlagen", erinnert sich das Trierer Original. Trotz aller Begeisterung trat er dennoch nicht in die Fußstapfen des Vaters, als dieser seinen Beruf an den Nagel hängte. Aus "unerklärlichen Gründen" schlug der Sohn eine andere berufliche Richtung ein. Bereits mit 22 Jahren war Alt Schmiedemeister und Meister im Fahrzeugbau, der in der Nellstraße in Kürenz als selbstständiger Handwerksmeister seinen Betrieb führte. Als Alt 1985 in den Ruhestand ging, widmete er sich fortan seinem Hobby.Um Kutsche fahren zu dürfen, legte Alt zunächst die vorgeschriebene Prüfung ab und machte sich dann auf die Suche nach Pferd und Kutsche. Fündig wurde er in Viersen, von wo er für 4000 Mark die polnische Stute mitbrachte. "Vater und Mutter waren unbekannt, aber das machte mir nichts aus. Ich habe keinen Wert auf ein Brandzeichen gelegt, sondern war von dem Pferd begeistert." Seine Begeisterung hält bis heute an. Nicht so gut in Schuss war die Victoria-Kutsche. Doch nach etlichen Stunden erstrahlte das mittlerweile über 110 Jahre alte Gefährt in neuem Glanz. Als er 1985 mit den Fahrten startete, musste noch ein Gewerbe bei der Stadt angemeldet werden: "Fünf Mark waren damals dafür zu berappen", erinnert sich Alt.Die gemütliche Fahrt im offenen Fiaker beginnt an der Porta-Nigra. Die nächsten Stationen sind Palastgarten mit Kurfürstlichem Palais, Konstantin-Basilika, Dom, Innenstadt, Stockplatz und Simeonstift. Unterwegs erzählt Alt Wissenswertes und Liebenswertes von seiner Heimatstadt und steht mit seinen Erzählungen den professionellen Stadtführern in nichts nach. Wenn gewünscht, kann die Fahrt auch verlängert werden. "Die Leute sind von dem Ausflug begeistert" und bedankten sich oft in Briefen. "Wir denken oft an Piroschka", schrieb ein Ehepaar oder "Sie haben uns in einer schönen Form Trier näher gebracht". Mitarbeiter der Stadtsparkasse Werne schrieben: "Wenn wir wieder in Trier sind - Sie sind unsere erste Wahl." Den weitesten Dankesbrief erhielt er aus São Paulo in Südamerika.Tränkestation ist der Kiosk am Palastgarten. Dort steht bei Bedarf ein Eimer Wasser bereit. Ganz wild sei Piroschka auf Äpfel, Bananen oder Möhren. Gerüstet ist Alt auch für den Fall, dass Piroschka mal "äpfelt". Eimer und Besen hängen unter der Kutsche. Verkehrssicher sei die Stute auch. "Sie kennt zwar keine Ampel, aber sie weiß, wann es losgeht. Auch Busse sind kein Problem. Freundliche Busfahrer winken und lassen uns vorbei." Ist die Arbeit getan, gibt es eine Portion Hafer zur Belohnung. Gesättigt geht Piroschka von allein in den Hänger, der sie in den Pferdestall in Hohensonne bringt. Bis Rudolf Alt sie am nächsten Tag wieder abholt. "Da merke ich, dass Piroschka gerade zu darauf wartet, wieder mit in die Stadt zu können."Kontakt: Rudolf Alt, Nellstraße 26, 54295 Trier, Telefon 0651/24215.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort