"Wir machen Kunst"

Zemmer-Schönfelderhof · Das Ziel, Begabungen des einzelnen Menschen im Hinblick auf seine Identitäts-, Persönlichkeitsentwicklung und Eingliederung zu fördern, wird auf dem Schönfelderhof nicht nur in handwerklichen Arbeitsbereichen, sondern auch in Kunstwerkstätten verfolgt. Psychiatrisch beeinträchtigte Menschen erfahren hier Unterstützung in ihrer künstlerischen Selbstbestimmung.

 Patricia Hagan hat auf dem Schönfelderhof zu ihrer Selbstbestimmung als Künstlerin gefunden. Hier arbeitet sie an einer Porträtzeichnung für die Ausstellung „Ich liebe dich wie Apfelmus“. TV-Foto: Anke Emmerling

Patricia Hagan hat auf dem Schönfelderhof zu ihrer Selbstbestimmung als Künstlerin gefunden. Hier arbeitet sie an einer Porträtzeichnung für die Ausstellung „Ich liebe dich wie Apfelmus“. TV-Foto: Anke Emmerling

Zemmer-Schönfelderhof. Kreative Arbeitsatmosphäre herrscht in einem der Atelierräume auf dem Schönfelderhof bei Zemmer. Eine Gruppe Erwachsener zeichnet Porträts für eine Ausstellung. An einem der Tische entsteht das Schwarz-Weiß-Konterfei von Kurt Beck nach Fotovorlage, an einem anderen stellt Patricia Hagan ein farbenfrohes Frauengesicht fertig: "Das kommt ganz aus der Fantasie", sagt sie und betont: "Ich bin Künstlerin." Dieses Selbstverständnis bezieht die gebürtige Amerikanerin nicht nur aus einem Kunststudium an einem College in Colorado, sondern auch aus der Förderung ihrer Entwicklung auf dem Schönfelderhof. Hier gibt es drei Kunst- und Kreativgruppen von Anfänger- bis Profiniveau, eine davon schon seit 30 Jahren.
Langzeit-Klienten der Einrichtung für psychisch Erkrankte können sich in allen Disziplinen der Bildenden Kunst von Zeichnen, Malen und Plastischem Gestalten über Holzschnitt bis Siebdruck betätigen. Sie erhalten Einblick in kunsthistorische Hintergründe oder künstlerische Methoden, Anregungen, vor allem aber Unterstützung beim Entwickeln eigener künstlerischer Ausdrucksformen.
"Das ist keine Kunsttherapie, dann wäre es sehr analytisch und zweckgerichtet", stellt der leitende Künstler und Ergotherapeut Rainer Czech klar. "Es geht darum, die Kreativität und die Künstler auf dem Weg zur Kunst zu fördern." In die bis acht Mitglieder starken Gruppen werde nur aufgenommen, wer deutliches Potenzial mitbringt. Patricia Hagan wie einen weiteren studierten Künstler und Galeristen aus Saarbrücken zählt Rainer Czech zu den "Cracks".
Regelmäßig gewinnen Gruppenmitglieder Preise bei Kunstwettbewerben. Gerne stellen sie auch aus, teils in gemeinsamen Projekten mit den kooperierenden Kunstwerkstätten der Caritas Ludwigshafen und der Barmherzigen Brüder in Saffig. Im etablierten Kunstbetrieb Fuß zu fassen gestalte sich aber für die Einzelnen schwer, sagt Czech. Einige Künstler seien zwar sehr autonom, präsentierten und verkauften ihre Werke übers Internet oder wie Patricia Hagan über eine Galerie.
Doch hauptsächlich stehe ihnen der Wettbewerbs- und Ausstellungsbereich offen, der das Etikett "Menschen mit Behinderungen" trage. Czech findet dieses Stigma und den damit verbundenen Kontext des "Karitativen" sehr störend.
"Wir wollen nicht das Kranke in den Vordergrund stellen, sondern die gesunden Anteile fördern und uns auf der Ebene der Kunst präsentieren", formuliert er die Ziele seiner und der Künstler Arbeit. Aktuell, etwa auf internationalen Kongressen zu "Outsiderkunst" (Außenseiterkunst) beobachtet er aber bereits eine Werteverschiebung in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Grenzen zwischen Insider- und Outsiderkunst weichten immer mehr auf, stellt Czech fest. An ihre Stelle trete das Verständnis von Kunst als Form der Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz als Mensch. Dafür stehen mit leuchtenden Natur- und Weiblichkeitsdarstellungen auch Hagans Bilder.
Ab 21. März 2013 werden die Künstler des Schönfelderhofes in der Europäischen Richterakademie Porträtarbeiten ausstellen, in denen sie zeigen, wie sie sich, aber auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sehen. Ihren Zeichnungen, Fotos, Collagen und Plastiken fügen sie kleine Interviews bei, die sie mit den Porträtierten wie Angela Merkel, Jean Claude Juncker und Kurt Beck geführt haben. Die Ausstellung ist Teil der in Mayen und Oggersheim begonnenen Serie über Outsiderkunst "Ich liebe dich wie Apfelmus" von Künstlern aus der Tagesstätte St. Johannes der Caritas Ludwigshafen, den Einrichtungen der Barmherzigen Brüder Saffig und Schönfelderhof.
Extra

Der Schönfelderhof feiert am Sonntag, 26. August, seine Bernhardskirmes. Beginn ist um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst, den Weihbischof Dieser zelebriert und der Chor Cantores Trevirenses mitgestaltet. Es schließt sich ein Kinderprogramm an mit Ponyreiten, Kletterwand, Zirkus-Workshop, Figutentheater Cocolores, Streichelzoo und vielem mehr. Musikalisch unterhalten Joe Casel, das Duett Komplett, Wild Willy & his Ghostbusters und die Gruppe Lion-Pipes & Drums aus Dudeldorf. alf

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