„Wir wollen Mittelzentrum werden“

Trier/Schweich · Mit ihrem neuen Einzelhandelskonzept will die Stadt Trier ihre Position als wichtigste Einkaufsstadt in der Region festigen. Nicht überall im Kreis stößt das auf Begeisterung. Schweich zeigt sich durchaus selbstbewusst und kündigt eine weitere Initiative an, um den Status eines Mittelzentrums zu erlangen.

Eine qualitative Stärkung der Innenstadt, die bessere Versorgung der Stadtteile und ein restriktives Vorgehen bei der Ansiedlung großflächiger Geschäfte - das sind die Kernthesen des Entwurfs für das überarbeitete Einzelhandelskonzept in Trier(der TV berichtete).

Die vier existierenden und geplanten Nebenzentren Tarforst, Trier-West, Castelnau und Ehrang sollen deutlich attraktiver werden. Darüber hinaus wird in den Stadtteilen im Wesentlichen nicht mehr als eine Grundversorgung mit den Gütern des täglichen Bedarfs erlaubt.

Vor allem der neue Einzelhandelsstandort in Ehrang - er soll im Bereich des ehemaligen Mühlengeländes an der neuen B?422 liegen und wird damit auch für Kunden aus der Eifel schnell erreichbar sein - wird Auswirkungen auf Schweich haben. Denn dorthin fahren derzeit viele Menschen aus dem Nordwesten von Trier zum Einkaufen.
So rechnet Stadtbürgermeister Otmar Rößler mit einem gewissen Verlust an Kaufkraft, wenn die Menschen aus Ehrang, Pfalzel oder Biewer erst einmal das neue Angebot wahrnehmen können. Allerdings strotzt die Stadt Schweich angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre und 800 Neubürgern im Baugebiet Ermesgraben nur so vor Selbstbewusstsein. Bald werden mehr als 8000 Menschen in der Stadt Schweich leben.

"Wir werden nicht dramatisch an Kundschaft verlieren, weil wir gut aufgestellt sind", ist sich Rößler sicher. Als Erfolgsgarant sieht er die Mischung aus Fachgeschäften in Verbindung mit Handwerksbetrieben und Dienstleistungsunternehmen in Schweich. "Und wir können kostenloses Parken bieten."

Einen Einzugsbereich von mehr als 27?000 Menschen, das große Schulzentrum, das im Bereich Ermesgraben noch deutlich erweitert werden soll und das neue Kulturzentrum für bis zu 1000 Besucher nennt Rößler unter anderem als Eckpunkte für den Erfolg der aufstrebenden Kommune. Skatepark, das renovierte Freibad und nicht zuletzt weitere Hunderte Neubürger, wenn auch der zweite Teil des größten Neubaugebiets in Rheinland-Pfalz erschlossen ist, sind weitere Argumente.

Diese werden auch zählen, wenn die Stadt einen neuen Anlauf macht, um vom Land offiziell als Mittelzentrum eingestuft zu werden. Rößler: "Wir werden eine weitere Initiative starten."

Dass Schweich attraktiv geworden sei, sagt auch Johannes Heinz. Der Vorsitzende des 150 Mitglieder starken Gewerbevereins spricht von einem "attraktiven Gesamtkunstwerk". Nicht wirklich begeistert ist er von dem Fachmarktzentrum mit großen Geschäften im Bereich Ermesgraben. "Wir ärgern uns schon, wenn der Gewebeverband vier verkaufsoffene Sonntage organisiert und da draußen ziehen sie uns dann mit Aktionen die Kunden aus der Stadtmitte ab. Mitglieder bei uns werden die Filialisten aber nicht." Und natürlich habe auch das attraktive Schweich einige Problembereiche.

So hat die Schlecker-Pleite wie in vielen kleineren Städten in der Region einen schwer zu beseitigenden Leerstand gebracht. Stadtbürgermeister Rößler sieht derweil in dem Fachmarktzentrum am Ermesgraben kein wirkliches Problem: "Für uns ist das keine Peripherie, weil es Schweich und Issel verbindet. Für die Menschen dort ist die Einzelhandelsversorgung wesentlich besser geworden."?

So schließt sich der Bogen nach Trier, wo das neue Einzelhandelskonzept besonders darauf abzielt, die Versorgung in den Stadtteilen zu verbessern. Das 316 Seiten starke Entwurfspapier ist inzwischen auch beim Runden Tisch des Einzelhandels vorgestellt worden. Daran Platz nehmen unter anderem Vertreter der Stadt, der City-Initiative, des Einzelhandelsverbandes und der Industrie- und Handelskammer (IHK). Sie alle wurden von der Stadtverwaltung um eine offizielle Stellungnahme gebeten.

Zu umfangreich sei das Papier, um das innerhalb kurzer Zeit zu tun, signalisieren Einzelhandelsverband und IHK. Die City-Initiative, die wichtigste Händlervereinigung in Trier, ist auf TV-Anfrage zumindest bereits zu einer ersten Einschätzung bereit. Vorstandsmitglied Sabine Clabbers: "Wir halten die dezentralen Nebenstandorte für sehr wichtig. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels brauchen die Stadtteile so etwas wie eine eigene City, in der die Menschen mehr oder weniger alle Dinge des kurzfristigen Bedarfs bekommen."Meinung

Alte Sünden rächen sich

Von Rainer Neubert

Trier ist als Einkaufsstadt mächtig, fast übermächtig. Diese Einschätzung aus vergangenen Tagen trifft nicht mehr zu. Natürlich nimmt Trier in seiner wichtigen Funktion als Oberzentrum für eine große Region eine Sonderstellung ein. Keine andere Stadt im Kreis Trier-Saarburg bietet solch eine Vielfalt an Geschäften, gekoppelt mit dem Einkaufserlebnis in einer seit Jahrhunderten gewachsenen und enorm geschichts?trächtigen Innenstadt.

Dennoch müssen sich die kleineren Städte nicht verstecken. Schweich macht es vor. Eine über Jahre nachhaltige Entwicklung macht sich nun bezahlt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Konz, Saarburg und Hermeskeil haben es deutlich schwerer. Da müssen Industrie- und Militärbrachen bewältigt werden. Die Entscheidung vor etlichen Jahren in Konz und Hermeskeil, großflächigen Einzelhandel weit entfernt von der Kernstadt zuzulassen, rächt sich nun.

In Schweich wurde mit dem Fachmarktzentrum am Ermesgraben ein Kompromiss gefunden. Die Innenstadt stärkt das zwar nicht unbedingt. Aber wichtiger war es, für die vielen Neubürger dort ein Einkaufsangebot zu schaffen. Sie sind es, die, gekoppelt mit einer cleveren Stadtenwicklung, dem Ort den Aufschwung bringen. Das kann Trier nicht schrecken.
r.neubert@volksfreund.de

bu_aufmacher Text: aufm_handel_tl_1202_r.n. Image: Ve._Handel_Schweich
Das Fachmarktzentrum am Ermesgraben in Schweich ist ein Kundenmagnet. Es ergänzt das Angebot in der Innenstadt. TV-Foto: Friedemann Vetter

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