Wo Deodosen vor Hitze explodieren

Trier/Russland/Kirgisistan · Vivian Boyer, Barbara Orlikova und Marc Fiedler haben den vermutlich höchsten Berg Europas erklommen. Im russischen Kaukasusgebirge hissten die Mitglieder der Trierer Sektion des Deutschen Alpenvereins eine Flagge. Temperaturunterschiede von mehr als 70 Grad Celsius bestimmten den Alltag der Abenteurer.

 Über der Wolkendecke: Vivian Boyer (links) und Barbara Orlikova blicken zufrieden auf die erklommene Bergkette. Das Trierer Team muss extreme klimatische Bedingungen aushalten. Foto: privat

Über der Wolkendecke: Vivian Boyer (links) und Barbara Orlikova blicken zufrieden auf die erklommene Bergkette. Das Trierer Team muss extreme klimatische Bedingungen aushalten. Foto: privat

Trier/Russland/Kirgisistan. Wenn sich die Sonne hinter dem Gipfel versteckt und der Wind über die schneebedeckten Höhen pfeift, hüllt Kondenswasser selbst den dicksten Daunenschlafsack in eine zarte Hülle aus Eis. Nur Stunden später prallt die Sonne wieder erbarmungslos auf die dünnen Zeltwände am Hang des Pik Lenin, einem Berg in Kirgisistan, dessen Gipfel in 7143 Metern Höhe liegt. "Dann wird es so heiß, dass mir sogar eine Deoflasche im Zelt explodiert ist", erklärt Bergsteiger Vivian Boyer (35), der zusammen mit Marc Fiedler (40) und Barbara Orlikova (30) die weite Reise in die ehemalige Sowjetunion auf sich genommen hat.
Akklimatisierung dauert lang


"Ungefähr drei Wochen muss man für eine derartige Expedition einrechnen", erklärt Boyer. Die meiste Zeit sei man allerdings nicht mit dem Aufstieg, sondern mit der Akklimatisierung beschäftigt. Je höher man aufsteigt, desto geringer wird die Sauerstoffkonzentration in der Luft. "Daran gewöhnt sich der Körper nur langsam." Daher sei ständiges Auf- und Absteigen mit dazwischenliegenden Ruhepausen unbedingt notwendig, erklärt Boyer und warnt vor der Höhenkrankheit (siehe Extra).
Die Akklimatisierung erledigte das Trio bereits ein paar Tage zuvor. Für die europäische Leukodystrophie Gesellschaft (ELA) sind die drei Freunde auf den 5643 Meter hohen Berg Elbrus in Russland gestiegen und haben eine Flagge der gemeinnützigen Organisation gehisst. Der ehemalige französische Fußball-Profi Zinedine Zidane war ein Jahr zuvor bereits aus dem gleichen Grund auf den Mont Blanc gestiegen. Es sei Auslegungssache, ob der Mont Blanc tatsächlich der höchste Berg Europas sei, erklärt Boyer. Der Elbrus sei höher und liege genau auf der Eurasischen Grenze. "Wir wollten einfach auf Nummer sicher gehen." Jetzt sei die Fahne auf jeden Fall auf dem höchsten Berg Europas gewesen.
"Wir haben den Berg unter fairen Bedingungen bestiegen", erklärt Boyer. Fair heißt unter Bergsteigern: keine Bergführer, keine Sauerstoffflaschen, keine Träger. Einzig auf Leihzelte habe man vor Ort zurückgegriffen. "Manchen Puristen wäre selbst das schon zu viel Hilfe." Die Vorbereitungszeit für eine mehrwöchige Expedition beschreibt Boyer als relativ gering. Vor einigen Jahren habe es einen regelrechten Kletter-Boom gegeben. Dadurch seien viele Berge sehr gut erschlossen.
Um das Risiko von Unfällen zu mindern, sind im Vorfeld einer Höhenexpedition dennoch klare Absprachen notwendig. "Wir haben keine Todessehnsucht", erklärt Boyer, der selbst auf über zehn Jahre Klettererfahrung zurückblicken kann und zusammen mit Marc in der Jugendarbeit des Alpenvereins arbeitet. Es müsse im Vorfeld klar definiert werden, wer am Berg das letzte Wort habe. Sein Part sei die medizinische Versorgung. "Marc war für die Führung am Berg zuständig."
Durch diesen Grundsatz erreichte letztendlich nur Barbara Orlikova den Gipfel des Pik Lenin. Marc und Vivian hatten Akklimatisierungsprobleme. "Ein oder zwei Tage später hätten wir den Aufstieg geschafft", ist sich Boyer sicher. Eine anrückende Schlechtwetterfront ließ eine Verlängerung des Aufenthalts allerdings nicht zu. "Da haben wir Barbara die letzten Meter alleine gehen lassen."
Geht es nach dem Trio, soll Barbaras Höhenrekord spätestens 2017 fallen. Ziel der Gruppe ist dann der Gasherbrum II in Pakistan, mit 8034 Metern Höhe weltweit auf Platz 13.Extra

Die Höhenkrankheit beschreibt eine Sammlung von Symptomen, die bei Menschen auftreten, die sich in über 2500 Meter Höhe begeben. Mit zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck, und die Sauerstoffkonzentration nimmt ab. Die Folge: Der Körper leidet unter einer Sauerstoffunterversorgung. Dies führt zunächst zu Kopfschmerzen, die von Atemnot, Übelkeit, Müdigkeit und weiteren Symptomen begleitet werden können. In schlimmen Fällen kann sich Flüssigkeit in Lunge oder Gehirn ansammeln und dort sogenannte Ödeme bilden, die zum Tod führen können. sek

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort