"Wollscheids" ist bald Geschichte

Trier-Irsch · Bereits in wenigen Tagen wird sich das Bild in der Irscher Straße im Höhenstadtteil Trier-Irsch ändern - dann nämlich, wenn das ehemalige Gasthaus Wollscheid dem Erdboden gleichgemacht wird. Der Bau weicht einem Komplex mit sechs Mieteinheiten.

Trier-Irsch. Sowohl Höhen wie auch Tiefen hat Hildegard Dittmer (76), die langjährige Gastwirtin der Trier-Irscher Traditions-Gaststätte Wollscheid, in den Jahren ihres Wirkens erlebt. Kein Wunder, handelt es sich bei dem Anwesen in der Irscher Straße doch um ihr Elternhaus. Dass sie später einmal in die Fußstapfen ihrer Eltern treten würde, "war eigentlich von Anfang an klar", blickt das "Wirtschaftskind" von einst in diesen Tagen zurück. In dieser Woche sollen die Bagger anrücken, um das Schicksal des früheren Gasthauses endgültig zu besiegeln. Anstelle des Gasthauses wird ein Komplex mit sechs Mieteinheiten entstehen.
1938 hatte Vater Peter Wollscheid die Konzession für ein Gasthaus erhalten. Abgesehen von dem sich anbahnenden Krieg bescheinigt Hildegard Dittmer im Nachhinein dem Gasthaus einen sehr guten Start. Schnell machte sich das urige Gasthaus einen guten Namen, sowohl bei den Einheimischen, wie auch vielen Trierern, die geradezu auf die Höhe pilgerten, um bei Wollscheids einzukehren. Die eigene Schlachtung, Hausmannskost, Viez und Wein selbst gekeltert hatten es den Gästen angetan. Bier gab es aber auch.
Irsch, wie es singt und lacht


In dem Ort verging fast keine Familienfeier, die nicht in dem Traditionshaus stattfand. Neben Stammtischen tagten auch die Irscher Vereine bei Wollscheids. Musikverein, Burgnarren oder Sportverein erlebten hier ihre Taufe und wählten das Gasthaus als Vereinslokal, genau wie der heimische Männergesangverein. Manch unterhaltsamer Familienabend ging in dem Saal über die Bühne. 1960 um zwei Kegelbahnen erweitert, etablierten sich Kegelclubs. "Immerlaut" und "Pudelmädchen" sind eingeborenen Irschern heute noch ein Begriff.
Unzählige Theaterstücke wurden in der Hochzeit der 50iger und 60iger Jahre aufgeführt. Gleiches gilt für Kappensitzungen, bei denen Hildegard Dittmer selber mitmischte. Hildegard Dittmer weiß noch gut, dass in der "schlechten Zeit" für Probenabende jeder ein Stück Holz zum Heizen mitbringen musste.
Vater Peter förderte die Vereine wo es nur ging. Starken Zuspruch erlebte das Gasthaus, als die Zuleitung von der Riveristalsperre zur Filteranlage Irsch (1955/1956) gebaut wurde mit dem Besuch von zahllosen bei dem Projekt Beschäftigten. "Millich" (kommt von Mühle) Hildegard, so der Irscher Hausname, erzählt: "Nach Feierabend ging es hoch her."
Tochter Hildegard war praktisch von Kindesbeinen an dabei im Gaststättengeschäft. "Gastwirtin zu sein hat mir immer Spaß gemacht", einen anderen Beruf hätte sie sich nicht vorstellen können. An ein volles Haus erinnert sie sich bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 (der erste Fernsehapparat in Irsch stand im Gasthaus Wollscheid), oder immer dann, wenn die Sendung "Mainz, wie es singt und lacht" auf dem Programm stand.
Seit 1962 mit Artur Dittmer verheiratet, übernahm Hildegard Dittmer die Gaststätte 1986 in Eigenregie. Mutter Mathilde half bis zuletzt mit, erinnert Dittmer dankbar an die vielen Jahre, als Mutter und Tochter gemeinsam für ihre Gäste in der Küche standen. Als sommerlicher Geheimtipp galt die Außenfläche mit Terrasse und (Bier-)Garten.
Ein wenig Wehmut klingt in den Worten von Hildegard Dittmer mit, wenn sie von dem nahen Ende des Gasthauses spricht. Eigentlich "begraben" hat sie ihre einst so lieb gewonnene Gaststätte schon vor etlichen Jahren, als sie sich ins Private zurückzog und in der Folge zwei Pächter das Traditionshaus weiterführten. Noch mal ein Wagnis eingehen mit einem Pächter wollte sie nach "reiflicher Überlegung" nicht. Da kam ihr die Idee von Sohn Ralf mit der Umwandlung in einen Wohnhauskomplex gerade recht. So geht der Fastnachtssonntag in diesem Jahr, extra für den Umzug reaktiviert, als wirklich letzter Tag der Gaststätte in Wollscheids Regie in die Irscher Chronik ein. Und darauf ist Hildegard Dittmer sogar ein klein wenig stolz.

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