Zeitlos, kompromisslos

Die Band "Schein Tote Erben" aus Trier hat bei ihren Auftritt in der Tufa Lieder der Band "Ton Steine Scherben", überwiegend aber Stücke aus der späteren Solokarriere von deren Frontmann Rio Reiser gespielt. Das Konzert weckte Erinnerungen an die Ära politischer Rebellion, verdeutlichte aber auch die Zeitlosigkeit von Reisers Musik.

 Authentisch interpretierten „Schein Tote Erben“ Musik der Band „Ton Steine Scherben“ und von Rio Reiser in der Tufa (von links: Kalle Georg, Jörg Werner, Martin Ross, Govinda Anhäuser, Peter Anhäuser. TV-Foto: Anke Emmerling

Authentisch interpretierten „Schein Tote Erben“ Musik der Band „Ton Steine Scherben“ und von Rio Reiser in der Tufa (von links: Kalle Georg, Jörg Werner, Martin Ross, Govinda Anhäuser, Peter Anhäuser. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Der Name "Schein Tote Erben" klingt bizarr, ist aber ein Wortspiel, das des Pudels Kern trifft. Denn darin steckt die Umformung von "Ton Steine Scherben" ebenso wie der Hinweis, dass hier jemand ein musikalisches Vermächtnis hochhält. Jörg Werner (Drums), Kalle Georg (Gitarre) und Peter Anhäuser (Keyboard) haben schon lange vor dem Tod von Rio Reiser 1996 dessen Lieder und die von Reisers Band "Ton Steine Scherben" gespielt. Neu dabei sind Bassist Martin Ross und Sänger Govinda Anhäuser, die Hausbesetzer-, Anti-Atomkraft- oder Friedensdemo-Zeiten nicht mehr miterlebt haben und die Bedeutung der Scherben- und Reiser-Musik losgelöst vom Ursprungskontext sehen. "Rio Reiser hatte ungeheures Potenzial, seine Lieder sind in persönlicher und politischer Aussage zeitlos", meint Martin Ross. Darauf liegt auch der Fokus des Programms. Bis auf einige wenige, konkret mit politischem Widerstand verbundenen Stücke spielen die fünf Musiker bei ihrem Konzert in der Tufa eher allgemeingültige oder persönlich gefärbte Titel aus der Feder Rio Reisers: "Der Traum ist aus" über die Utopie einer toleranten und friedlichen Welt, "Lass uns ein Wunder sein" über die Liebe, "Junimond" oder "Alles Lüge" über Trauer und Verzweiflung. Die kompromisslose Ehrlichkeit dieser Stücke bringt die Band in fast original klingendem Rock und Gesang von Govinda Anhäuser, der manchmal übertönt wird, authentisch herüber. Immer wieder begeistern die Instrumentalpartien mit mitreißenden Gitarrensoli von Kalle Georg. Einige Zuhörer tanzen, andere singen mit. Die Stücke sprechen für sich und sind lebendig. Aber: Ohne Begrüßung und Bandvorstellung, Kommentar oder erkennbares Mienenspiel spulen "Schein Tote Erben" ohne Pause ihr Programm ab. Nur ein einziges Mal lässt sich der Sänger zu einem Satz hinreißen: "Jetzt kommt das letzte Lied." Der Stimmung tut's keinen Abbruch, die Zuschauer verlangen kräftig nach Zugaben.

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