Zoff im Trierer Tierheim

Nach den Vorstandsneuwahlen tobt im Tierschutzverein Trier ein heftiger Streit zwischen zwei Lagern. Mehrere Anwälte sind eingeschaltet. Mitarbeiter des Tierheims üben scharfe Kritik am neuen Vorstand. Dieser spricht von Startschwierigkeiten. Das Tierheim im Stadtteil Zewen ist neben dem in Altrich eines von beiden in der Region.

Trier. Karin Wilwers ist mit ihren Nerven am Ende: "Was die mit uns machen, grenzt an Psychoterror", klagt die 26-jährige Tierpflegerin im Trierer Tierheim. Mit "die" gemeint ist der neue Vorstand des Tierschutzvereins Trier, mit dem auch Tierpflegerin Silke Longen, die seit 2001 im Trierer Tierheim beschäftigt ist, große Probleme hat: "Es gibt kein Vertrauensverhältnis.

Zwei Frauen überlegen, ihre Jobs zu kündigen



Obwohl es dem neuen Vorstand an Sachkenntnis mangelt, mischt er sich ständig in unsere Arbeit ein und meint, uns anweisen zu müssen, wie wir die Tiere zu pflegen haben." Der Leidensdruck ist bei beiden Frauen so groß, dass sie überlegen, ihre Jobs zu kündigen.

"Feindliche Übernahme" Die harte Kritik der beiden bezieht sich in erster Linie auf die neue Vereinsvorsitzende des rund 1500 Mitglieder zählenden Tierschutzvereins, Anne Wasiak. Bei den Vorstandswahlen am 21. Juni hatte sich der bisherige erste Vorsitzende, der 81-jährige Leopold Kornberg, ebenso wie seine Vorstandskollegin Veronika Reh aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl gestellt. Und weil die Basis Kritik daran geübt hatte, dass Tierheimleiter Andreas Lindig gleichzeitig im geschäftsführenden Vorstand des Vereins saß, der das Tierheim trägt und unterhält, war auch dieser nicht mehr angetreten.

Nach Vorstellungen des alten Vorstandes sollten die Mitglieder Günter Porn, Bankdirektor in Luxemburg, zum neuen Vorsitzenden wählen.

Doch ein gegnerischer Flügel hatte sich im Vorfeld der Wahl Mehrheiten organisiert. Statt der bei den bisherigen Versammlungen üblichen rund 50 Mitglieder tauchten am Wahlabend mehr als 100 Wahlberechtigte auf. "Das war eine organisierte feindliche Übernahme", sagt Kornberg.

"Entscheidungen im Alleingang":

"Wir sind demokratisch gewählt worden, und die Wahl ist korrekt abgelaufen", hält die neue erste Vorsitzende Wasiak dagegen. "Mein Eindruck war, dass der alte Vorstand seine Entscheidungen stets im Alleingang gefällt hat, es gab keine Transparenz", erklärt Michaela Brohm, warum man den Wechsel an der Vereinsspitze wollte. Die Pädagogik-Professorin der Trierer Uni ist seit 1,5 Jahren Mitglied im Tierschutzverein und dessen neue dritte Vorsitzende. Neue Schatzmeisterin, und damit ebenfalls zum geschäftsführenden Vorstand gehörend, ist Barbara Frankreiter: "Es ist normal, dass es bei starken strukturellen Veränderungen in Vereinen zu Irritationen kommt, aber ich bin sicher, dass sich diese beruhigen und wir zum Wohl der Tiere gut zusammenarbeiten werden", ist die 45-jährige Verwaltungsangestellte der Trierer Fachhochschule zuversichtlich.

350 000 Euro Finanzbedarf: Der alte Vorsitzende Kornberg befürchtet derweil, dass die Spendenakquise einbrechen könnte, weil der neue Vorstand weniger gut mit potenziellen Sponsoren vernetzt sei und so der Fortbestand des Tierheims gefährdet sein könnte.

Schließlich hat das Heim einen jährlichen Finanzbedarf von rund 350 000 Euro, nur rund 48 000 Euro davon kommen als Unterstützung aus der Stadtkasse. Wasiak, Brohm und Frankreiter sehen dagegen keine Probleme, die Spendenmenge auf dem bisherigen Niveau zu halten.

Tierpfleger befürchten Durcheinander



Die Pfleger im Tierheim haben Angst, dass der neue Vorstand die bestehenden Strukturen durcheinanderbringt: "Im Gegensatz zu unserem alten Vorsitzenden Dr. Kornberg hat der neue Vorstand kaum Sachkenntnis von Tierpflege, nimmt aber immer mehr Einfluss und zweifelt die Kompetenz unserer Pfleger an", sagt Heimleiter Lindig. Immerhin sei das Tierheim ein mittelständisches Unternehmen "und kein Spielplatz für ein privates Hobby". Wasiak dagegen erklärt, "sich in die Tierpflege nicht einmischen zu wollen".

Heilende Zahlen am Fressnapf:

Tatsächlich hatte die ehemalige Lehrerin im Sommer 2009 allerdings in privater Initiative Haarproben zweier Tierheim-Hunde einer Tierheilpraktikerin übergeben. Nach Testung von "Aura, Chakren, Energieebenen sowie mentaler und emotionaler Ebenen" empfahl die Heilpraktikerin Tierheimleiter Lindig per Mail unter anderem, zur Verbesserung des Wohlbefindens von Hund Angie die "Komplementärzahl 6275" und bei Hund Enzo die "Komplementärzahl 7465 unter dem Fressnapf oder am Halsband zu befestigen".

Sich neben schulmedizinischen Therapien auch "anthroposophischen und alternativen Methoden" zu öffnen, könne durchaus ein mögliches Ziel der neuen Vereinsausrichtung sein, kommentiert die dritte Vorsitzende Brohm den Vorgang.

Geändertes Protokoll: Zunächst muss sich der neue Vorstand allerdings mit viel weltlicheren Problemen beschäftigen: Ex-Vorsitzender Kornberg hat zusammen mit anderen ehemaligen Vorstandskollegen wegen formaler Fehler die Wahl per Anwalt angefochten und das Amtsgericht eingeschaltet. Um einen Punkt des anwaltlichen Schreibens zu widerlegen, hat die neue Vorsitzende Wasiak wiederum das Protokoll des Wahlabends abgeändert.

"Es haben Fakten gefehlt", sagt Wasiak, "das können hundert Zeugen bestätigen."

Petra Schmeling, seit 13 Jahren Sekretärin des Tierschutzvereins und Protokollantin, weigert sich allerdings, das abgeänderte Schriftstück zu unterschreiben. "Weil ich das neue Protokoll nicht vertreten kann", sagt sie. Auch Schmeling hat mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet. Extra Der Tierschutzverein Trier und Umgebung hat zurzeit rund 1500 Mitglieder. Er ist Träger des Tierheims. Das Tierheim hat einen Jahresumsatz von rund 350 000 Euro, die Stadt schießt rund 48 000 Euro zu. Im vorigen Jahr wurde das neue Hundehaus errichtet, für das ein Landeszuschuss von rund 111 000 Euro akquiriert wurde. Zurzeit leben im Tierheim mehr als 200 Tiere. Jährlich werden rund 1000 bis 1500 Tiere vermittelt. Im Tierheim arbeiten neben dem Heimleiter vier Tierpfleger, ein Hausmeister, eine Sekretärin und ein Auszubildender. Alle Tierpfleger, die in Rheinland-Pfalz ausgebildet werden, legen im Trierer Tierheim ihre Prüfungen ab. (woc)

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