Zumindest als Wunsch: Runter vom Sockel

Zwei Tage lang stand in dieser Woche der große Karl Marx Modell in Trier. "Großer" in jeder Beziehung.

Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster hat schon recht, wenn er angesichts der Skulptur von einem "Riesendenkmal" spricht, denn die Höhe ist in der Tat einigermaßen beeindruckend. Die Frage ist aber, welche Konsequenzen man daraus ableitet. Sie ablehnen etwa?
Die Marx-Statue ist ein Geschenk der Volksrepublik China an die Stadt Trier. Bei einem solchen Geschenk kann man als Beschenkter nicht hingehen und Forderungen stellen oder es sogar zurückschicken. Umtausch ausgeschlossen sozusagen. Bestenfalls Wünsche dazu könnte man im Vorfeld äußern. Dazu gleich mehr.
Zum Standort: Der ist gut, weil er touristisch einfach strategisch günstig liegt. Das Sichtachsen-Argument zum Wohnhaus der Familie Marx allerdings ist wenig überzeugend. Wenn man vor der Simeonstraße 8 steht, sieht man beim derzeitigen Standort jedenfalls wenig bis nichts von der Skulptur. Und ins Haus hinein (passenderweise ein Ein-Euro-Shop) kommt ja derzeit eh kein Tourist. Dennoch steht Marx dort gut, nahe zum Touristenmagnet Porta, und dennoch nicht so aufdringlich, dass er irgendjemandem die Schau stehlen würde.
Die Argumentation, man solle das Geschenk ablehnen, weil es in China Menschenrechtsverletzungen gibt und China unter kommunistischem Deckmantel autoritär geführt wird, ist natürlich bedenkenswert. Aber das ist letztlich Außenpolitik, und die wird nicht in Trier gemacht, sondern in Berlin. Mit dem gleichen Argument hätte man die Xiamen-Partnerschaft der Stadt Trier gar nicht erst beschließen dürfen. Deshalb ist es auch falsch, das Geschenk aus China abzulehnen. Trier würde damit einen diplomatischen Eklat provozieren, ausgerechnet im Vorfeld des Jubiläumsjahres 2018.
Wenn es darum geht, dass Marx mit der Statue nicht verherrlicht werden soll, dann sollte man das bei der Gestaltung des Umfelds berücksichtigen. Denn zur Skulptur gehört nicht nur eine kleine Plakette ans Kunstwerk, sondern dort müssen mehrsprachige Infotafeln hin (auch auf Chinesisch), die über Marx' Zeit in Trier informieren, die auch zeigen, wo es sonst noch Marx-Anknüpfungspunkte in der Stadt gibt (Geburtshaus, Wohnhaus, ehemalige Schule, jüdischer Friedhof, auf dem seine Vorfahren bestattet sind). Genau dort wäre auch der Platz, in wohlgesetzten Worten daran zu erinnern, dass Marx in Trier eine Skulptur zu schenken nicht bedeutet, über die Folgen des Marxismus-Leninismus zu schweigen.
Jetzt noch zu den angesprochenen Wünschen: Baudezernent Andreas Ludwig sollte im Gespräch mit dem chinesischen Künstler versuchen, Karl Marx vom Sockel zu holen. Auch ohne den ist die Figur noch beeindruckend genug. Marx würde damit näher an die Menschen kommen, er würde sein Städtchen Trier sozusagen durchschreiten - so wirkt ja die Bewegung, die der Künstler ihm gegeben hat. Man könnte ihn ohne Sockel auch anfassen, wie Brigitte Biertz, Aktivistin aus dem Karl-Marx-Viertel, richtig bemerkt. Man könnte sich vermutlich auch vernünftig mit ihm fotografieren lassen, was mit dem Sockel nicht so richtig gut machbar erscheint. Marx näher an die Menschen zu holen - vielleicht kann man dem Künstler dies ja vermitteln. Wenn er nicht will, war's das aber auch schon. Als Beschenkter muss man die künstlerische Freiheit wohl (schweren Herzens) auch bei einem Künstler achten, dessen Land seinerseits mit der Freiheit Andersdenkender leider nicht so umgeht, wie es unseren Maßstäben entspricht.

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