Zurück in die Zukunft

Wo sonst alles streng auf Anno-Dazumal gemacht ist, ging es am Wochenende ganz modern zu: Zwei lauschige Spätsommernächte lang fand im Freilichtmuseum Roscheider Hof zum zweiten Mal das "Museums-Open-Air" statt.

Konz. (fgg) So stellt man sich das ideale Open-Air-Konzert vor: Im T-Shirt unterm Sternenzelt stehen, mit einem leckeren Kaltgetränk in der Hand, während vorne eine bunte Mischung exzellenter Musiker aufläuft, und die Grillen musizieren mit ihnen um die Wette. Beim diesjährigen "Musems-Open-Air" am Roscheider Hof hat alles gestimmt, während es bei der Erstausgabe im letzten Jahr doch etwas frisch war. An zwei Tagen bekam das Publikum im Karree des "Vierseithofs" ein abwechslungsreiches Programm geboten.

Der Freitag stand eher im Zeichen des Blues, dargebracht durch die Bands zweier Wahleuropäer. Carl Wyatt und seine "Delta Voodoo Kings" eröffneten das Festival mit ursprünglichem, energetischem Bluesrock, an dem der Schlamm des Mississippi nur so klebte: Besonders die ausgedehnten Slide-Gitarren und Mundharmonika-Duelle begeisterten die gut 200 Zuschauer im historischen Ambiente. Die perfekte Ergänzung dazu war die Sängerin und Gitarristin Beverly Jo Scott: Die mit einer formidablen "Röhre" ausgestattete Powerfrau und ihre Band hatten das Publikum von Anfang an um den kleinen Finger gewickelt und sorgten nicht nur mit ihrem Dylan-Cover "I Shall Be Released" für Gänsehaut.

Am zweiten Festivaltag war der Hof des schon 1330 erwähnten Gutes mit etwa 350 Zuschauern etwas dichter gefüllt als vortags, und das Alter der Gäste unterschritt jetzt deutlich öfter die Vierziger-Marke: Den Anfang machten "Mary Greenwood" aus Wittlich. Das integrative Bandprojekt aus behinderten und nichtbehinderten Musikern nahm die Hürde des Openers mit Leichtigkeit und spielte sich mit ihrer wilden Rockshow in die Herzen der Zuhörer. Mit dem Neil-Young-Song "Keep On Rockin' In A Free World" beendeten die elf Musiker unter viel Applaus ihr Set. Sie machten dann die Bühne frei für Götz Widmann, der ganz allein mit seiner Gitarre zwar viel Platz auf der Bühne hatte - aber sie trotzdem mit seiner Präsenz füllte. Der Liedermacher aus Bonn war sichtlich erfreut, Dutzenden textsicheren Fans gegenüber zu stehen, die seine humorvollen, rebellischen Songs über die Drogen Bier, Haschisch, Sex und Fußball begeistert mitsangen. Zuletzt besang er das Glück, niemals als Soldat in einem Krieg gekämpft haben zu müssen. Zum Lied inspiriert habe ihn ein Gespräch mit "Stoppok", erzählte Widmann, und schlug so gleich eine Brücke zum nachfolgenden Künstler, der das Festival beendete.

Der in Essen aufgewachsene Blues- und Folkrocker Stefan Stoppok hatte mit seiner Band keinen ganz geglückten Start in Konz: Ein paar technische Probleme, gepaart mit doch etwas lauen Witzeleien ließen den Funken erst nach zwei, drei Songs so richtig überspringen. Doch dann hatten auch Stoppok und seine Band die Menge im Griff: Mit schnodderigem Witz durchzogen und doch schön warm und atmosphärisch, fasste ihr "Ruhrpott-Blues" nochmal alles zusammen, was die zwei Festivaltage im Roscheider Hof ausgemacht hat: authentische Musiker, die mit Form und Inhalt überzeugen. Fortsetzung folgt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort