Zwei klingende Zeitreisen

TRIER. Musik aus Mittelalter und Renaissance gehört im Konzertleben der Region eher zu den Raritäten. Der "Spielkreis für Alte Musik" hält die Beschäftigung mit dieser fernen Kunst hoch, und erinnert zugleich an die Renaissance der Alten Musik vor 50 Jahren. Am Wochenende spielte er in St. Irminen.

Der unbenutzte Flügel im voll besetzten Römersaal von St. Irminen wirkt vergleichsweise trist in seinem seriösen Schwarz. Davor geht es entschieden bunter zu. In Gruppen stehen sie da: Flöten ganz unterschiedlicher Größe, die muschelförmigen Gemshörner, das Rankett, das aussieht wie ein Kochtopf mit Anblasrohr, das ulkig gebogene Krummhorn, Pommer, Schalmei, natürlich unterschiedliche Schlaginstrumente und, besonders auffällig, die Landsknechtstrommel mit Troddeln und farbigem Corpus.Alte Musik - lebendig und überaus farbenfroh

Die Musik aus Mittelalter und Renaissance kommt beim "Spielkreis für Alte Musik" nicht akademisch blass oder wehmütig-nostalgisch daher, sondern lebendig und farbenfroh. Farbenfroh auch in den mal hellen, mal sachten, mal nasal schnarrenden Klängen. Zehn Musiker unternehmen eine Reise in die Zeit vom 12. bis zum frühen 17. Jahrhundert - mit wechselnden Instrumenten und immer wieder neu im Klang. Eine einstimmige Estampie des Mittelalters, repräsentative Intraden, beschwingt-gehaltvolle Tanzsätze aus der Zeit um 1600. Viele davon haben sich von der festlichen Gebrauchsmusik weit entfernt. Wieviel Traurigkeit steckt in den "Lachrimae tristes", den "Traurigen Tränen"! John Dowland hat die gemessen-würdevolle Pavane für Gambenquintett geschrieben, aber die Version des Spielkreises für Flöten, Rankett und Laute gibt dem Werk Glanz und nimmt ihm die Ausdrucksstärke nicht. Sie musizieren nicht im strengen Sinn professionell, und die Brillanz moderner Alte-Musik-Interpretation, die es mit der Virtuosität manchmal sogar übertreibt, ist nicht ihre Sache. Aber sie spielen sauber, sorgfältig und bringen ein schwieriges Stück mit Ludwig Senfls "Tandernaken" auch dann mit Anstand zu Ende, wenn sich Missverständnisse einschleichen. Bei solch einem Musizierstil klingt eine zweite Zeitreise an, eine Erinnerung an die Renaissance der Alten Musik in den 50-er Jahren, die das Trierer Musikleben freilich erst Anfang der 60-er erreicht hat. Eine Wendung zum Einfachen und Echten, vielleicht auch eine Distanzierung vom traditionellen Opern- und Konzertleben, das von den Nazis besetzt worden war. Für die Gründungsmitglieder Cäcilia Berg und Karl Stockert war dieses Konzert der Abschied. Der Spielkreis steht offensichtlich vor einem Generationenwechsel. Interessierte Musiker sind willkommen. Kontakt: Sandra Bartmann, Liebfrauenstr. 5, 54290 Trier, Tel. (0651) 75573. e-Mail: sandra-bartmann@gmx.de., www.alte-musik-trier.de

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