Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Trier/Hermeskeil · Hat ein 67-Jähriger aus dem Raum Hermeskeil zwei minderjährige Pflegetöchter jahrelang missbraucht? Dieser Frage geht das Landgericht Trier seit nunmehr sieben Verhandlungstagen nach.

Trier/Hermeskeil Der Vorwurf der Anklage ist hart: Zwischen August 2005 und Februar 2013 soll der Angeklagte die beiden Schwestern bei insgesamt 112 Gelegenheiten - nämlich wenn seine Frau außer Haus war - sexuell missbraucht haben. In den ersten Jahren habe sich dabei eines der Mädchen noch im Kindesalter unter 14 Jahren befunden. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe heftig. Er sei das Opfer einer Verleumdung, initiiert durch die ältere der beiden Schwestern (der TV berichtete). Außer dem Angeklagten und den als Nebenklägerinnen auftretenden Schwestern - beide heute volljährig - gibt es keine Zeugen.
Damit steht seit Prozessbeginn Anfang Juni Aussage gegen Aussage. Und wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Schwestern durch das Verfahren. Die psychologische Sachverständige Simone Gallwitz beobachtet den Verlauf seit Beginn. Am 30. August wird sie ihr Glaubwürdigkeitsgutachten vortragen und könnte damit zum entscheidenden Faktor dieses Prozesses werden.
Die Pflegemutter steht 100-prozentig hinter ihrem Mann. Dasselbe gilt für einen ehemaligen Pflegesohn, der als Erwachsener weiter Kontakt zur Familie hält. Auch der Bruder der beiden mutmaßlichen Opfer hält zu den Pflegeeltern. Er stammt wie seine Zwillingsschwester aus zerrütteten Verhältnissen. 2002 waren beide in die Pflegefamilie aufgenommen worden. Später kam noch die ältere Schwester der beiden hinzu. Sie war es, die mit den Missbrauchsvorwürfen gegen den Pflegevater den Stein ins Rollen brachte. Zuvor hatte sie auf eigenen Wunsch die Familie verlassen und war in eine Jugendeinrichtung gezogen. Der Bruder über die ältere Schwester: "Die hat schon immer gelogen und betrogen."
Überraschender Beistand für den Angeklagten kam vom leiblichen Vater der Kinder. "Meine beiden Töchter haben mit ihren Lügengeschichten schon meine Ehe kaputt gemacht", erklärte der im Zeugenstand (der TV berichtete).
Wo steckt die Wahrheit? Ein schwieriger Fall. Wenig Erkenntnis erbrachten in zahlreichen Sitzungsstunden die Aussagen von Mitarbeiterinnen des Jugendamtes, psychologischer Dienste und ähnlicher Einrichtungen, die früher beruflichen Kontakt mit den Mädchen hatten. Zu lange ist es her, die meisten erinnern sich nur noch durch Aktenvorhalt an die Kinder von damals.
Wieder um die Glaubwürdigkeit ging es am jüngsten Sitzungstag. Dazu musste der Vorsitzende Richter Günther Köhler tief in alte Akten greifen: 2002 hatte die ältere Schwester, damals gerade sechs Jahre alt, ihre leibliche Mutter und später ihren Großvater des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Eine Psychologin, die das Mädchen damals angehört hatte, erinnert sich nach Aktenvorhalt: "Die Schilderungen waren weder stichhaltig noch konkret. Für mich klang das unglaubwürdig."
2003 beschuldigte das Mädchen dann seinen Großvater des sexuellen Missbrauchs. Ein Ermittlungsrichter hatte das Mädchen zusammen mit dem leiblichen Vater und der Pflegemutter vernommen. Als Zeuge erinnert er sich: "Der Vater stand den Anschuldigungen des Mädchens sehr skeptisch gegenüber, obwohl er nicht das beste Verhältnis zu seinem Stiefvater hatte."
Auffallend ist: Die sexuellen Handlungen, die die damals Sechsjährige ihrem Großvater und ihrer Mutter unterstellte, gleichen in Teilen exakt den Missbrauchstaten, die die heute 21-Jährige ihrem Pflegevater zuschreibt.
Die Verfahren gegen den Großvater und die Mutter wurden 2003 aufgrund des psychologischen Gutachtens eingestellt. "Diese Aussagen sind nicht glaubhaft", so die Gutachterin damals.

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